Immer wieder werden Kleinzellen als Lösung im Kampf gegen die Varroa propagiert. Verschiedene Studien haben sich dem Thema gewidmet. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass kleinere Zelldurchmesser als einzige Massnahmen nicht zielführend sind.
Wie regelmässig mit Imker/-innen und Expert/-innen geführte Gespräche zeigen, ist die Bienenhaltung anspruchsvoll. In Zusammenhang mit der gesunden Entwicklung der Völker und der Varroabekämpfung stossen wir immer wieder auf die «kleine Brutzelle». Doch wie gross ist ihr Einfluss wirklich? Dieser Artikel zeigt die aktuellen Erkenntnisse auf.
Seit den frühen 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts beeinflusst die Varroamilbe als zentraler Faktor die Gesundheit der Honigbienen. Es muss unser imkerliches Ziel sein, die in der Schweiz gehaltenen Bienen so zu unterstützen, dass die im Volk vorhandene Milbenpopulation dieses nicht übermässig belastet. Dabei kommt Imkerinnen und Imkern bei der Varroabekämpfung eine zentrale Rolle zu. Sie mussten lernen, dass es das Wundermittel zur Bekämpfung dieser Milbe bis jetzt nicht gibt. Trotz einiger Züchtungserfolge auf Resistenz oder Toleranz konnte die Schädigung der Bienen durch die Varroa bis jetzt nicht im grossen Stil verhindert werden (SBZ 09/2023, S. 23 –27). Mittels erfolgreich getesteter, praxiserprobter Varroakonzepte (wie jenes des BGD/ZBF) können die Bienen heute jedoch weitgehend geschützt und die Völkerverluste eingedämmt werden (SBZ 07/2022, S. 30–31). Das Behandlungskonzept ist mehrschichtig aufgebaut und erfordert eine genaue Einhaltung von Zeitfenstern und der Tierarzneimittel-Packungsbeilage.
Auf der Suche nach einfacheren Lösungen gegen die Varroamilbe lesen und hören wir immer wieder von den vermeintlichen Vorteilen der Kleinzellen. Die Idee, mit kleineren Brutzellen den Milbenbefall in den Völkern zu reduzieren, ist nicht neu.1 Viele Artikel wurden darüber geschrieben und zahlreiche Studien durchgeführt. Was kann daraus abgeleitet werden?
Grundsätze und falsche Annahmen
Untersuchen wir zunächst einige fehlerhafte Überlegungen und prüfen, ob sich die wichtigsten Hypothesen bestätigt haben, welche zum Einsatz von Kleinzellen geführt hatten:
- Eine Verringerung der Zellgrösse würde ausreichen, um das Varroaproblem zu lösen. Es herrscht die falsche Vorstellung, dass kleinere Zellen ohne weitere Eingriffe zum Ziel führen. Geht man zu den Urhebern des Kleinzellenansatzes zurück – Dee und Ed Lusby in den USA – stellt man fest, dass sie Kleinzellen mit einer Selektion auf Resistenz und der Wahl eines idealen Bienenstandortes mit ausreichendem Blütenangebot kombiniert hatten.2
- Die derzeit auf den Mittelwänden geprägten Zellen seien wegen eines Berechnungsfehlers grösser als die von den Bienen natürlich gebauten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Mehrere Autoren haben gezeigt, dass der Durchmesser von Brutzellen selbst vor der Einführung von Mittelwänden oder Wachsleitstreifen nicht kleiner war. Es gab somit keinen Berechnungsfehler.3
- Die Entwicklung von Arbeiterinnen in Kleinzellen würde schneller verlaufen, wodurch die Anzahl geschlechtsreif werdender Varroa-töchter sinken würde. Die beiden existierenden Tests der Hypothese haben dies nicht bestätigt.4,5 Ebenfalls weiss man von den Zuchtanstrengungen für eine kürzere Entwicklungszeit der Bienen, dass zur nachhaltigen Stabilisierung des Varroabefalls gemäss theoretischen Berechnungen6 eine um 48 Stunden kürzere Verdeckelungsdauer nötig wäre. Nach heutigem Wissensstand konnte eine Verkürzung um zwei Tage durch Zucht nie erreicht oder nachgewiesen werden.
- Kleine Bienen könnten die Bruttemperatur besser regulieren. Dazu wurde nur eine Studie durchgeführt. Diese hat die Hypothese nicht bestätigt.7
- Durch verkleinerte Zellen würde sich der Zwischenraum zwischen der sich darin entwickelnden Puppe und den Wachswänden vermindern. Dies würde die Varroamilbe daran hindern, sich richtig zu ernähren oder uneingeschränkt zu paaren. Die Ergebnisse der zahlreich durchgeführten Versuche fielen unterschiedlich aus. Dabei hat sich diese Hypothese manchmal bestätigt und manchmal nicht, wobei die Grösse der Bienen parallel zur Verringerung des Zelldurchmessers abnahm und scheinbar genügend Platz übrig blieb. Der erwartete Effekt stellt sich also aus bislang unbekannten Gründen nicht immer ein.
Was sagt die Forschung?
Unabhängig von der tatsächlichen natürlichen Zellgrösse und den unbekannten zugrunde liegenden Mechanismen könnte es sein, dass kleinere Zellen den Befall oder die Vermehrung der Varroamilbe verringern. Was zeigen die 18 wissenschaftlichen Studien, welche diesen Effekt untersucht haben?
An gewissen Kleinzellenstudien gibt es zahlreiche Kritik, beispielsweise:
- Die Versuchsdauer war zu kurz.
- Die Umstellung auf Kleinzellen gelang nicht in allen Völkern.
- Reinvasion zwischen den Bienenvölkern mit Normal- und Kleinzellen kann die Ergebnisse verfälschen.
Es gibt aber auch Studien, die unter guten Bedingungen durchgeführt wurden. Das heisst, die Versuche fanden in vergleichbaren Gruppen auf mehreren Bienenständen mit Normal- respektive Kleinzellen statt. Sie dauerten mehrere Jahre und alle Völker der Kleinzellen-bienenstände schafften die Umstellung der Zellgrösse. Manchmal konnten keine Auswirkungen auf die Varroabelastung im Volk festgestellt werden. Teilweise zeigte sich sogar das Gegenteil des erwarteten Effekts (Anstieg des Varroabefalls). Andere Studien wiederum zeigen einen Rückgang bei der Varroavermehrung oder dem -befall. Gelegentlich wurden die gemessenen Vorteile durch negative Effekte wie eine langsamere Entwicklung der Kleinzellenvölker aufgehoben. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nur wenige dieser Studien Kleinzellen als Methode zur Varroabekämpfung empfehlen. Zudem sind die Versuche, die zu positiven Ergebnissen kommen, ebenfalls nicht frei von Kritik. Sie wurden teilweise mit Kunststoffwaben oder mit von Natur aus resistenten afrikanischen oder afrikanisierten Bienen durchgeführt. Aufgrund dieser Versuchsbedingungen lassen sich die Ergebnisse nicht zwingend auf die Situation in Mitteleuropa übertragen.
Die perfekte Studie scheint aufgrund der Komplexität, der Unvorhersehbarkeit von Feldversuchen und der Dauer, die es zum Nachweisen oder Widerlegen einer Wirkung braucht, fast nicht möglich zu sein. Die Motivation, diese Hürden zu überwinden, ist angesichts der wenigen bisher gesammelten eindeutig positiven Ergebnisse ebenfalls gering.
Wer hat Recht?
Wie lassen sich die positiven Ergebnisse erklären, von denen einige Imker/-innen berichten? In ihrem Bemühen, die Wirkung eines bestimmten Faktors isoliert zu betrachten, übersehen die Forscher/-innen (SBZ 08/2018, S. 20–26) möglicherweise andere Parameter, die für den imkerseitigen Erfolg bei der Varroareduktion entscheidend waren. Die Imker/-innen haben in ihren Erfahrungsberichten möglicherweise unbewusst neben der Zellgrösse die Wichtigkeit anderer Elemente ausgeblendet (Selektion auf Resistenz, besondere Betreuung der Bienenvölker). Diese fehlenden Informationen verhindern den Einbezug wichtiger Faktoren in wissenschaftliche Versuche.
Man muss sich fragen, warum die Methode der kleinen Zellen nach drei Jahrzehnten in der Praxis nicht weiter verbreitet ist, wenn sie tatsächlich einen bedeutenden Vorteil bringen würde. Vermutlich wurden mit den veröffentlichten Artikeln Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden konnten und so zu einer Ernüchterung geführt haben.
Was tun?
Gegen die Varroamilbe gibt es bis jetzt keine ideale Waffe. Verkleinerte Zellgrössen ohne weitere Massnahmen sind jedenfalls nicht die Lösung. Für eine erfolgreiche Bekämpfung des Parasiten sind immer mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Der Aufwand für die Umstellung auf kleinere Zellen ist unverhältnismässig gross. Die Änderung des Zellmasses beansprucht mehrere Jahre und es besteht keine Sicherheit, ob alle Völker die Umstellung schaffen. Zudem sind die Erfolgschancen von Kleinzellen gering: Die Mehrheit der Studien betrachten es als unwahrscheinlich, dass die Varroabelastung durch die kleinere Zellgrösse allein ausreichend reduziert werden kann. Es gibt erprobtere, wirksamere Methoden.
Durch die regelmässige Unterlagenkontrolle kann die Milbenentwicklung verfolgt werden. Mit einem darauf basierenden, in der Praxis bewährten Varroakonzept (www.bienen.ch/varroa) geben wir dem Volk die Möglichkeit, sich optimal zu entwickeln. Durch die in letzter Zeit heissen Sommer mit häufigeren Hitzeperioden muss die Behandlung mit Ameisensäure auf die Wetterprognose abgestimmt werden. Immer zentraler werden im Sommer Behandlungsmethoden, die eine brutfreie Zeit mit anschliessender Oxalsäurebehandlung beinhalten. Als Alternative ohne Restentmilbung mit Oxalsäure bietet sich das Bannwabenverfahren an, bei dem die Milben mit der verdeckelten Brut mehrmals entnommen werden.
Das vom BGD mit Unterstützung des ZBF erarbeitete Betriebskonzept (www.bienen.ch/betriebskonzept) hat in einem mehrjährigen Praxistest gezeigt (SBZ 10/2020, S. 16–17), dass dank des ganzheitlichen Ansatzes die Winterverluste unter 10 % bleiben. Nach diesem Konzept geführte Völker entwickeln sich gut und können sich bestmöglich vor anderen Krankheiten und Schädlingen schützen. Wird vom Konzept abgewichen, erhöhen sich die Winterverluste (Grafik oben). Heute muss sich jede Imkerin und jeder Imker genügend Zeit für die korrekte Pflege der Bienen freihalten. Denn nur gesunde, starke und gebietsvertraute Völker können in der sich verändernden Umwelt erfolgreich gedeihen.
Literatur
- Dietemann. V.; Imdorf, A. (2010) Reduzieren kleine Wabenzellen den Varroa Befall? Schweizerische Bienen-Zeitung 12: 19–22.
- Lusby, D. (1997) Arizona beekeeper believes smaller size cell diameter is the answer to mite problems. American Bee Journal 12: 837–838.
- Saucy, F. (2014) On the natural cell size of European honey bees: a «fatal error» or distortion of historical data? Journal of Apicultural Research 53(3): 327–336 (DOI: 10.3896/IBRA.1.53.3.0).
- Fries, I. (2004). Cellstorlek och varroakvalster. Bitidningen 103: 18 –20.
- Tofilski, A.; Czekonska, K. (undatiert) Development of honeybee workers in cell of different sizes. EURBEE conference proceeding.
- Martin, S. A.; Hogarth, A.; van Breda, J.; Perrett, J. (1998) A scientific note on Varroa jacobsoni Oudemans and the collapse of Apis mellifera L. colonies in the United Kingdom. Apidologie 29: 369–370.
- Olszewski, K.; Borsuk, G.; Dziechciarz, P.; Wojcik, L.; Paleolog, J. (2019) Drone and worker brood was unexpectedly well heated in standard-cell and small-cell comb colonies. Journal of Apicultural Science 63: 157–164.