Drohnenbrut für geschwächte Igel

07/25 | Natur und Wildbienen
Sarah Grossenbacher, Redaktion Schweizerische Bienen-Zeitung


Insektenmangel und Lebensraumverlust setzen dem Igel zu. In der Igelstation des Vereins Igel-Hilfe Schweiz hilft Drohnenbrut aus der Imkerei, unterernährte Tiere wieder zu stärken. Sie ist eiweissreich, nahrhaft und gut verwertbar.

Als die Landwirtschaft im 20. Jahrhundert immer intensiver wurde, boten begrünte Siedlungsgebiete den Igeln die vielfältigen Kleinstrukturen, die sie zum Überleben brauchten. Doch Zahlen aus Zürich machen deutlich: Die urbanen Refugien bieten den Igeln längst nicht mehr den Schutz, den sie ihnen einst gewährten. In den letzten 25 Jahren nahm die Zürcher Igelpopulation um rund 40 % ab, ihr Lebensraum ist um rund 18 % gesunken. Für diesen Negativtrend gibt es verschiedene mögliche Ursachen: Lebensraumverlust, Nahrungsmangel, Krankheiten, Gifte oder auch die Zunahme der Dachspopulation.1

Hungernde Igel

« Das Insektensterben hat sicherlich einen entscheidenden Einfluss », erklärt Laura Sandmeier, Leiterin der Igelstation des Vereins Igel-Hilfe Schweiz in Niedergösgen. Igel sind Insektenfresser. Auf ihrem Speiseplan stehen Laufkäfer, Schnaken- und Käferlarven, Raupen, Tausendfüsser sowie Larven von Nachtfaltern. Diese Beutetiere finden sich vor allem in naturnahen, strukturreichen Gärten. « Es gibt viele aufgeräumte Gärten, in denen kaum etwas wachsen darf. Das ist sicher eines der grössten Probleme. Die Igel verhungern elendig. » Ein abgemagerter Igel erkennt man am Hungerknick: Eine deutliche Einbuchtung hinter dem Kopf.

Laura Sandmeier leitet die Igelstation der Igel-Hilfe Schweiz in Niedergösgen (Foto: Sarah Grossenbacher).

Fehlt ein vielfältiges Insektenangebot, greifen Igel häufiger auf Schnecken zurück – doch das birgt neue Risiken: Viele Schnecken sind Träger von Lungenwürmern. Diese Parasiten befallen die Lunge der Igel, schwächen sie zusätzlich und können zu schwerwiegenden Atemproblemen führen.

Ein Igel mit einem sichtbaren « Hungerknick » am Nacken (Foto: Laura Sandmeier).

Drohnenbrut für die Igelstation

Viele Igel, die in die Auffangstation gebracht werden, sind unterernährt. « Daneben haben wir aber auch verschiedenste Verletzungen wie Brüche, Bissverletzungen oder auch Schnittwunden, zugefügt durch Gartengeräte wie Fadenmäher oder Mähroboter ». Bei Sandmeier und ihrem Team werden die stacheligen Patienten liebevoll verarztet, gepflegt und gefüttert. Die Station bietet 40 Pflegeplätze, die während der Saison in der Regel komplett besetzt sind.

Die Igeldame « Fränzi » kommt dank Drohnenlarven und der fürsorglichen Pflege auf der Igelstation wieder zu Kräften. (Foto: Laura Sandmeier)

Dort kommt auch ein eher ungewöhnliches Futtermittel zum Einsatz: Drohnenbrut aus der Imkerei, die bei der biotechnischen Varroabekämpfung anfällt. Die Igelstation erhält von umliegenden Imkerinnen und Imkern die gefrorenen Drohenwaben, die sie schliesslich als hochwertige Eiweissquelle für geschwächte Tiere weiterverwenden. « Drohnenbrut ist eine super Nahrung für die Igel hier – sie mögen sie, und wir können sie gut lagern », erklärt Sandmeier. Das proteinreiche, leicht verdauliche Produkt enthält wertvolle Fette, die unterernährten Igeln helfen, an Gewicht zuzulegen.

Besonders beliebt ist die sogenannte « Drohnenmilch »: Dafür werden die Larven aus den Waben gelöst und im Wasserbad leicht erwärmt, wodurch sie sich verflüssigen. Im Anschluss können sie durch ein Sieb gegeben und mit Spritzen aufgezogen werden. « Die Drohnenmilch hat mehrere Vorteile: Damit können wir untergewichtige und geschwächte Igel mit einer Pipette füttern. Medikamente werden auch gut mit der Drohnenmilch eingenommen und sie ist ein perfekter Futterzusatz im Nass- oder Spezialfutter. »

Vorbereitung für die Drohnenmilch: Trennung von Larven und Wachs. (Foto: Sarah Grossenbacher)
Fertige Drohnenmilch – Superfood für die stacheligen Patienten. Sie kann eingefroren und bei Bedarf wieder im Wasserbad erwärmt werden. (Foto: Laura Sandmeier)

Bienen und Igel im Garten

Bienen und Igel haben vieles gemeinsam: Beide sind auf kleinräumige, strukturreiche Landschaften angewiesen – und finden in naturnahen Gärten wertvolle Rückzugsorte. Wildbienen benötigen im Umkreis von wenigen Hundert Metern geeignete Nistplätze und ein durchgehendes Blütenangebot. Igel durchstreifen ein Revier von mindestens zehn Hektaren und sind auf ein vielfältiges Insektenangebot sowie Verstecke wie Ast- und Laubhaufen oder dichte Hecken angewiesen.

Wildhecken und Blumenwiesen statt Kirschlorbeer und Schottergarten – dort, wo sich Bienen wohl fühlen, finden auch Igel eine ideale Lebensgrundlage (Foto: Sarah Grossenbacher).

Durchlässige Gärten helfen

Igel können jedoch schlecht klettern – geschlossene Mauern oder Zäune werden schnell zu unüberwindbaren Hindernissen auf ihren Wanderungen von Garten zu Garten. Bei Zäunen solten deshalb bodennahe Spalten von 10 bis 15 cm offen belassen oder kleine Durchgänge von mindestens 10 x 10 cm eingeplant werden. Auch Hecken aus einheimischen Sträuchern sind ideal zum Durchschlüpfen, sie bieten zudem noch Schutz und ziehen Insekten an.

Gefahren vermeiden

Offene Schächte, steile Teiche oder Pools werden schnell zur Falle: Igel finden ohne Hilfe keinen Ausweg. « Eine einfache Rampe, abgedeckte Kellerfensterschächte und flache Übergänge mit Steinen machen den Garten sicher für Igel », so Sandmeier. Auch Mähroboter stellen eine tödliche Gefahr dar.

Eine kleine Ausstiegstreppe in einem Gartenteich kann Kleintieren wie dem Igel das Leben retten. (Foto: Laura Sandmeier)

Mehr Vielfalt und ein bisschen Chaos

Gabionenwände, meterlange Kirschlorbeerhecken, englischer Rasen oder Schottergärten führen zu einer Verarmung der urbanen Grünlandschaft. Der Einheitsbrei schadet nicht nur den Bienen, sondern auch vielen anderen Insekten und Säugetieren wie dem Igel. Was ordentlich wirkt, ist ökologisch wertlos. Vielfalt statt Perfektion lautet deshalb die Devise: Wer auf heimische Pflanzen und wilde Ecken setzt, fördert die Biodiversität direkt vor der Haustür.

Weitere Informationen rund um den Igel und den Verein Igel-Hilfe Schweiz finden Sie hier: www.igel-hilfe.ch

Literatur

  1. Taucher, A. L., Gloor, S., Dietrich, A., Geiger, M., Hegglin, D., & Bontadina, F. (2020). Decline in Distribution and Abundance: Urban Hedgehogs under Pressure. Animals, 10(9), 1606. https://doi.org/10.3390/ani10091606

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