Der Winter ist in vielen Regionen die ideale Zeit, um die Ansaat von Blumenwiesen zu planen. Artenreiche Wiesen, ob trocken oder feucht, sind reich blühende Lebensräume, die für Wild- und Honigbienen gleichermassen wichtig sind. Hier, im dritten Teil dieser Wiesenserie, widmen wir uns den Feuchtwiesen.
«Riedweg», «Im Lätt», «Auboden»: Vielerorts erinnern nur noch Strassen- und Flurnamen an die ausgedehnten Feuchtgebiete, die bis ins 17. und 18. Jahrhundert und stellenweise noch viel länger grosse Teile unserer Landschaft einnahmen. Moore und Feuchtwiesen, Auenwälder und Waldsümpfe, Schilfgürtel und Hangriede, Weiher und Tümpel prägten das Erscheinungsbild in praktisch jedem Schweizer Tal. Sie wurden laufend erneuert durch die natürliche Dynamik der Flüsse und die Bautätigkeit Tausender Biberfamilien. Erst wurden sie von Wildtieren wie Elch, Wisent und Wildpferd gepflegt, dann von Kleinbauern mit Sensen und Vieh. Gerade die nährstoffreichen Feuchtwiesen im Flachland waren hochproduktive Kulturlandschaften, natürlich gedüngt mit Schlick aus den jährlichen Überschwemmungen der grossen Flüsse. Der Blütenreichtum der Feuchtgebiete ernährte neben der Honigbiene auch zahlreiche Wildbienenarten und andere Wildbestäuber. Und noch viel wichtiger: Feuchtgebiete speicherten Wasser, das sie in trockeneren Zeiten schrittweise wieder an ihre Umgebung abgaben.
Gleichzeitig bargen Feuchtgebiete für unsere Vorfahren aber auch Gefahren – reale wie Malaria und Überschwemmungen, aber auch fantasievoll ausgedachte wie Geister und Irrlichter. Die Sümpfe waren unheimlich, die Flüsse unberechenbar, und als wir mit der Industrialisierung die nötige Technik dafür entwickelten, war der Grundtenor fast einstimmig: Die Sümpfe müssen weg. Mit grösster Anstrengung wurden Flüsse begradigt und gestaut, Bäche eingedolt und Moore trockengelegt. Die Malaria rotteten wir damit erfolgreich aus. Aber auch unzählige Tierarten, von der März-Sandbiene (Andrena nycthemera) und der Theiss-Eintagsfliege (Palingenia longicauda) über Nerz, Lachs, Biber und Fischadler bis hin zum Atlantischen Stör, unserem grössten heimischen Fisch.
Heute sind artenreiche Feuchtgebiete nur noch in kleinen Bruchstücken vorhanden, denen es zudem oft an der nötigen Flussdynamik fehlt. Ob eine Wiese jährlich überschwemmt wird, hängt heute nicht mehr nur von Schneeschmelze und Herbstregen ab, sondern meist auch vom Goodwill des lokalen Wasserkraftwerkbetreibers. Erst in den letzten paar Jahrzehnten hat die Schweiz grössere Renaturierungsmassnahmen in Angriff genommen – dank dem Druck der Bevölkerung, die mit der Rothenthurm-Initiative und kantonalen Projekten wie der Auenschutz-Initiative im Aargau die Grundlagen dafür geschaffen hat.
Im Siedlungsraum nehmen die Feuchtgebiete aber weiterhin ab. Hier können viele von uns einen Beitrag leisten. Wie bei Magerwiesen gilt: Nicht jeder Garten eignet sich für einen Teich oder eine Feuchtwiese. Aber wenn die Gelegenheit bei Ihnen besteht, dann sollten Sie sie unbedingt nutzen.
Wie funktioniert eine Feuchtwiese?
Ähnlich wie Magerwiesen bestehen Feuchtwiesen aus Pflanzen, die mit Stress gut umgehen können. Nährstoffmangel kann zu diesem Stress beitragen; vor allem aber ist es Wasser, das die Pflanzen stresst. Entweder ist das ganze Jahr zu viel davon da. Oder das Wasser kommt nur zeitweise mit Regen oder Überschwemmungen und fliesst sehr langsam wieder ab. So oder so: Den meisten klassischen Wiesenblumen würden hier die Wurzeln abfaulen. Und auch nicht alle Feuchtwiesenpflanzen sind gleich tolerant. Einige, wie das Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis) oder der Schlangen-Knöterich (Polygonum bistorta), benötigen das ganze Jahr ein hohes, aber nicht allzu hohes Mass an Feuchtigkeit. Andere ertragen trockene Phasen, so zum Beispiel Schnittlauch (Allium schoenoprasum) oder Abbisskraut (Succisa pratensis). Wieder andere lieben Staunässe und könnten auch gut das ganze Jahr im Wasser stehen, wie die Sumpf-Dotterblume (Caltha palustris). Da jede Pflanzenart ihre fein abgestuften Stärken und Schwächen hat, findet man die grösste Vielfalt in Wiesen, die nicht überall gleich feucht sind. Trockene Hügel und nasse Senken können die Artenzahl einer Feuchtwiese vervielfachen. Auf Feuchtwiesen, die einmal eingeebnet worden sind, dominiert wiederum häufig nur eine Handvoll Arten.
Die Nähe zu trockeneren Lebensräumen ist auch für die Bienenfauna wichtig. Zahlreiche Wildbienenarten sind auf Pflanzen spezialisiert, die an Feuchtstandorten wachsen. Etwa die Blutweiderich-Sägehornbiene (Melitta nigricans) und die Blutweiderich-Langhornbiene (Eucera salicariae), die ihren Pollen beide nur an den rosa Blütendolden des Blut-Weiderichs (Lythrum salicaria) sammeln. Oder die beiden Schenkelbienen (Macropis europaea, M. fulvipes), die ihren Nachwuchs mit den Pflanzenölen von Pfennigkraut (Lysimachia nummularia) und Gemeinem Gilbweiderich (L. vulgaris) versorgen. Aber sie und die meisten anderen Feuchtwiesen-Bienen können ihre Nester nicht in Feuchtwiesen bauen. Sie benötigen trockene Bodenstellen, die sie an Orten wie Böschungen, Dämmen und Abbruchhängen finden.
Dass die meisten dieser Bienenarten im Sommer und Herbst fliegen, ist kein Zufall: Viele Feuchtwiesenpflanzen blühen recht spät im Jahr. Darum erreicht die Blüte der meisten Feuchtwiesen ihren Höhepunkt in der Trachtlücke, was sie auch für die Honigbiene zu wichtigen Nahrungsquellen macht.
Aus demselben Grund sollten Sie Feuchtwiesen selten und spät mähen. Im Oktober, wenn Abbisskraut und Blut-Weiderich verblüht sind, ist die richtige Zeit dafür. Wie insektenfreundliches Mähen funktioniert, habe ich bereits in der letzten Ausgabe beschrieben.
Wo lässt sich eine Feuchtwiese schaffen?
Eine Feuchtwiese benötigt Wasser. In Ihrem Garten gibt es – hoffentlich – keinen wilden Fluss, der regelmässig über die Ufer tritt. Aber Wasser ist in anderer Form in zahlreichen Gärten vorhanden: als freier oder eingedolter Bach, Hangdruckwasser oder Dachwasser oder auch als sumpfige Pfützen auf Lehmböden. Viele Gärtner und Architektinnen sehen dieses Wasser reflexartig als Problem. In Hunderttausenden Schweizer Gärten wurden aufwendige Sickerleitungen und Drainagen verlegt, die das Wasser möglichst schnell abfliessen lassen. Dadurch verschlimmert sich allerdings die Sommertrockenheit, genauso wie Überschwemmungen bei Starkregen.
Wenn Sie das Wasser in Ihrem Garten nicht als Problem, sondern als Chance sehen, eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten. Die einfachste davon ist bewusstes Nichtstun: Wenn Sie einen Neubau planen und Ihr Architekt eine Drainage oder eine Sickerleitung plant, regen Sie stattdessen an, dass ein kleines Feuchtgebiet geschaffen wird. Und wenn eine bestehende Drainage mit der Zeit versagt und ein Rasen oder eine Böschung stellenweise sumpfig wird, pflegen Sie diese Stellen künftig als Feuchtwiese. Säen Sie streifenweise geeignetes Saatgut aus, mähen Sie entsprechend spät und wenig, und erfreuen Sie sich an einer immer bunteren und artenreicheren Wiese.
Eine andere Chance ist das Sammeln von Regen-, Hang- oder Dachwasser in einem Teich. Aber nicht in einer der Beton- oder Plastikschalen, die oft als Gartenteiche verkauft werden, sondern in einem richtigen, lebendigen, dynamischen Gewässer. Zu einem solchen Teich gehören Flachwasser- und Sumpfzonen, die immer wieder mal austrocknen dürfen. Wenn Sie einen Lehmteich anlegen lassen, braucht er ohnehin flache Ufer, damit er keine Risse bekommt. Beschränken Sie sich hier nicht aufs Minimum, sondern legen Sie möglichst grosszügige Bereiche an, in denen das Wasser nur gelegentlich steht. Und statt überschüssiges Wasser mit einer schmalen Rinne in die Kanalisation abzuleiten, können Sie das Wasser auch mit einem breiten Überlaufbereich in Ihre Wiese ableiten. Bei Folienteichen sind Flachwasser- und Sumpfzonen ebenso sinnvoll wie bei Lehmteichen. Mit einem Teil der Folie kann beispielsweise ein Überlaufbecken angelegt werden, das ganz mit Erde oder Schlämmsand gefüllt ist und dessen Ränder 2–3 cm unter der Erde liegen. In diese Ränder stechen Sie ein paar kleine Löcher, sodass stehendes Wasser immer wieder langsam abfliessen kann – und fertig ist der Boden für die hauseigene kleine Sumpfwiese.
Vielleicht fliesst auch ein kleiner Bach ihrem Garten entlang, frei oder in einer unterirdischen Röhre. Setzen Sie sich bei Ihrer Gemeinde dafür ein, dass eingedolte Bäche wieder frei fliessen dürfen, und stellen Sie, wenn Sie können, ein paar Quadratmeter extra für die Ausdolung zur Verfügung. Unter Umständen finanziert Ihnen so Ihre Gemeinde oder Ihr Kanton ein hübsches Feuchtgebiet mit. Auch bei bestehenden Bächen, die meist auf gemeindeeigenem Land liegen, haben viele Gemeinden und Kantone ein offenes Ohr für Anwohnerinnen und Anwohner, die eine Aufweitung auf ihrem Land wünschen. Fragen Sie doch einmal beim Bauamt Ihrer Wohngemeinde oder bei der Abteilung Natur Ihres Kantons.
Aber Sie sehen schon: Die Möglichkeiten für Feuchtwiesen in Gärten sind begrenzter als jene für Fett- und Magerwiesen, und sie sind oft mit finanziellen und bürokratischen Hürden verbunden. Grosse, artenreiche Feuchtwiesen lassen sich zwar mit viel Fachwissen und Ingenieurskunst sogar auf Flachdächern schaffen, wie gelungene Beispiele in Zürich und im Kanton Luzern zeigen. Die meisten Gartenbesitzerinnen jedoch können mit verhältnismässigem Aufwand höchstens ein paar Quadratmeter Feuchtwiese oder eine feuchte Ecke in einer Fettwiese schaffen. Aber genau auf diese paar Quadratmeter kommt es an. Honigbienen sind um jeden Flecken froh, der in der Trachtlücke blüht. Und viele Wildbienen, die Feuchtwiesenblumen besammeln, fliegen gerne auch kleinere Standorte an, solange genug davon in ihrem Radius liegen. Die Auen-Schenkelbiene (Macropis europaea) zum Beispiel lässt sich oft auch an kleinen Gartenteichen beobachten, wo nur ein paar Exemplare des Gemeinen Gilbweiderichs (Lysimachia vulgaris) wachsen.
Nicht nur die Bienen sind dringend auf mehr Feuchtgebiete im Siedlungsraum angewiesen. Auch für andere bedrohte Tiere wie der Iltis (Mustela putorius) oder der Fadenmolch (Lissotriton helveticus) sind auf ein dichtes Netz solcher Lebensräume angewiesen. Und wir Menschen ebenso. Kleine Feuchtgebiete mildern den Effekt von Dürren ab. Ihre Verdunstung kühlt uns ab, wenn es heiss wird. Feuchtstandorte halten bei Starkregenereignissen einen beträchtlichen Teil des Wassers zurück und verhindern Überschwemmungen. Ein Gartenteich ist nicht nur dekorativ, er ist – richtig angelegt – auch ein Dienst an der Gesellschaft. Und diese sumpfige Stelle in Ihrem Rasen nervt zwar momentan, aber auch sie könnte ein artenreicher Lebensraum mit positiver Wirkung auf Ihr Garten- und Quartierklima werden.
Artenreiche Fettwiesen-Wiesenmischungen für jede Lage
Wiesensaatgut sollte möglichst regional sein, da sich die typischen Arten und auch die Genetik innerhalb der Arten je nach Region und Höhenstufe stark unterscheiden. Die «Blühwiesen»- und «Wildwiesen»-Mischungen aus dem Baumarkt vergessen Sie am besten gleich. Bei den meisten handelt es sich nicht einmal um echte Wiesen, sondern um einjährige Mischungen, die nur eine Saison lang schön sind. Wirklich empfehlenswert sind folgende Mischungen:
Mittelland, Kanton Zürich und östlicher
• Für kleine Flächen bis 100 Quadratmeter: «Blumenreiche Heuwiese Region Mittelland Ost» von der IG Regiosaat, «Wildblumenwiese Original CH-i-G» von UFA Samen sowie «OH-chg Piuflora» und «OH-chg Swissflora Plus» von Otto Hauenstein Samen wurden gezielt für kleinere Flächen entwickelt und enthalten einen höheren Blumenanteil.
• Für grössere Flächen: «Artenreiche Fromentalwiese Region Mittelland Ost» und «Artenreiche Fromentalwiese Thurgau» von der IG Regiosaat, «Wildblumenwiese Original CH-G» und «Wildblumenwiese Jubilé CH-55-G» von UFA Samen und «OH-chg Swissflora» von Otto Hauenstein Samen sind einwandfreie Fettwiesenmischungen für grössere Flächen.
• Für besonders trockene Standorte: «Wildblumenwiese trocken CH-G» von UFA Samen.
Mittelland, Kantone Aargau/Luzern und westlicher
• Für kleine Flächen bis 100 Quadratmeter: «Wildblumenwiese sonnig» und «Berner Wiese» von Artha Samen
• Für grössere Flächen gibt es leider keine komplett regionalen Mischungen im Handel. Immer noch empfehlenswerter als andere sind: «Nutriflor» von Eric Schweizer Samen, «Wildblumenwiese Original CH-G» und «Wildblumenwiese Jubilé CH-55-G» von UFA Samen und «OH-chg Swissflora» von Otto Hauenstein Samen.
• Für besonders trockene Standorte: «Wildblumenwiese trocken CH-G» von UFA Samen.
Vor- und Nordalpen
• Östlich der Reuss: «Bergblumenwiese CH-G» von UFA Samen.
• Westlich der Reuss: «Berner Wiese» von Artha Samen.
Tessin
• «FS-ch Florainsubrica» von der Associazione Fioriselvatici.
Graubünden
• Engadin: «Engadiner Trockenwiese» von Schutz Filisur.
• Einzugsgebiet des Rheins: «Ein buntes Paradies für Schmetterlinge» von Schutz Filisur.
Wallis, Jura, Graubünden und Tessin
• Das Ökobüro Ö+L verkauft auf Anfrage überschüssiges Saatgut aus Direktbegrünungsprojekten, das aus alten, artenreichen Wiesen ausgebürstet wurde. Nicht immer verfügbar, aber sehr empfehlenswert.
Auf sehr kleine Flächen können Wiesen auch direkt gepflanzt werden, mit sogenannten Initialziegeln. Die Gärtnerei D. Labhart bietet solche Wiesenziegel für mehrere Regionen an, siehe www.sellana-shop.ch.
Eine gute Alternative zu grösseren Ansaaten, gerade in ländlichen Regionen, ist die Mahdgutübertragung. Sie funktioniert ganz anders wie eine Ansaat und kann nur in Zusammenarbeit mit einem wohlgesinnten Bauernbetrieb durchgeführt werden. In Gärten lohnt sie sich, wenn Sie einen engagierten, unkomplizierten Bauern mit einer artenreichen Wiese in Ihrem Umfeld haben. Alles Wissenswerte darüber finden Sie unter www.regioflora.ch.
Wenn Sie sich ein etwas breiteres, systematischeres Wissen über die Förderung von Wildbienen im Garten erarbeiten möchten, helfen die Bienenschutz-Kurse von BienenSchweiz. Alles Wichtige dazu finden Sie unter: www.bienen.ch/kurs