Golddisteln – Winterschmuck und Bienenweide

01/23 | Natur und Wildbienen
Daniel Ballmer, Verein Floretia, (daniel@floretia.ch)

Januar ist der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, um als Autor einer Artikelserie über Trachtpflanzen einzusteigen. Nur an den allerwärmsten Tagen sind einzelne Honig- und Holzbienen (Xylocopa) unterwegs, und die Blüten, die sie bei uns besuchen, sind spärlich und eher unspektakulär. Meine Augen erfreuen sich derzeit viel eher an einer Blume, die ihren Nektar längst hergegeben hat und trotzdem den ganzen Winter lang ein Hingucker bleibt: die Golddistel (Carlina vulgaris).

Golddistel-Köpfchen in der Frühlingssonne Anfang März.
Golddistel-Köpfchen in der Frühlingssonne Anfang März (Foto: Daniel Ballmer).

Die Blütenkörbchen der Golddistel (Carlina vulgaris) sind von harten, strohgelb glänzenden Hüllblättern umgeben, die äusserst beständig sind und sich über den Winter in ein edles Silbergrau umfärben. Anders als bei ihrer bekannteren Verwandten, der Silberdistel (Carlina acaulis), sitzen diese Blüten auf 7–20 cm langen, stabilen Stielen und erreichen ungefähr den Durchmesser eines Fünflibers. Ästhetisch spielt die Golddistel auf Zeit: Zur Blüte im Juli und August kann sie mit dem Prunk der Silberdistel nicht ganz mithalten. Aber während diese schon im Herbst dahinwittert, behält die Golddistel ihre Form und ihren Glanz bis weit in den Frühling hinein. Ihre dekorative Wirkung entfaltet sie dabei draussen im Garten genauso gut wie als Strohblume im Haus.

Im Rahmen eines laufenden Filmprojekts hatte ich das Glück, die letzten zwei Jahre regelmässig einen Wildstandort der Golddistel bei Basel besuchen und studieren zu dürfen. Dies erlaubte mir, die eher spärlichen Angaben aus der Fachliteratur mit eigenen Beobachtungen zu ergänzen. In Gärten sehe ich die Golddistel bisher leider eher selten; hier hätte sie wirklich einen höheren Stellenwert verdient. Ich hoffe, dass dieser Artikel die eine oder andere Leserin dazu bewegt, diesem Schmuckstück einen Platz im Garten einzuräumen.

Ein Magnet für Hummeln und Schmetterlinge

Ein Silbergrüner Bläuling (Polyommatus coridon) auf einer Golddistel.
Ein Silbergrüner Bläuling (Polyommatus coridon) auf einer Golddistel (Foto: Panther Media GmBH/Alamy).

Wie alle heimischen Disteln hat auch die Golddistel relativ tiefe Blütenkelche und wird deshalb vor allem von langrüssligen Insekten besucht: Auf ihr tummeln sich Hummeln, Tagfalter und einzelne spezialisierte Wildbienenarten. Besonders treue Besucherinnen sind die langgestreckte Skabiosen-Furchenbiene (Halictus scabiosae) und die Kleine Garten-Blattschneiderbiene (Megachile centuncularis), die beim Blütenbesuch ihren Hinterleib fast senkrecht aufstellt. Von den Hummeln lassen sich zu warmen, sonnigen Zeiten oft gleich mehrere Arten gleichzeitig an der Golddistel beobachten, die die Blütenkörbchen systematisch nach Nektar und Pollen absuchen. Unter den Schmetterlingen gehören vor allem Bläulinge, Feuerfalter und Dickkopffalter zu den regelmässigen Besuchern. Der häufigste unter ihnen ist im Garten der Hauhechelbläuling (Polyommatus icarus), der nach dem Nektarsaugen gerne noch länger sitzenbleibt und sich die Sonne auf die Flügel scheinen lässt. Auch die Honigbiene nutzt die Golddistel gerne, sowohl als Nektar- als auch als Pollenquelle. Mit Nektarwert 2 und Pollenwert 2 ist die Golddistel eine solide Trachtpflanze, auch wenn sie nicht ganz zu den Spitzenreiterinnen gehört.

Mehr als nur schöne Blüten

Der Wert der Golddistel für die Natur vor unserer Haustür geht aber weit über die Bestäuber hinaus. Ihre Samen locken den hübschen Distelfinken in den Garten, der in kleinen Gruppen an ihr herumturnt. Und Dutzende von pflanzenfressenden Insekten ernähren sich von der Golddistel und dienen selbst wiederum als Nahrung für Vögel, Eidechsen und andere Tiere. Das grösste und schönste davon, das smaragdgrün schillernde Distel-Grünwidderchen (Jordanita subsolana), kommt leider nur noch an wenigen Stellen im Wallis und im Val Müstair vor. Aber viele andere Insekten tauchen fast überall auf, wo ihre Futterpflanze in genügend grosser Zahl wächst, auch in Gärten. Spezialisierte Rüsselkäfer und Gallfliegen nutzen den dicken Blütenboden als Kinderstube, während die Wurzeln und Blätter bei den Raupen diverser Kleinschmetterlinge beliebt sind. Jede dieser Arten wird wiederum von einer Schlupf- oder Erzwespe heimgesucht, was dafür sorgt, dass keine Art überhandnimmt. Jeder Golddistelbestand ist ein kleines Ökosystem für sich.

Nur nicht zu viele Nährstoffe, bitte

Wer sich dieses kleine Ökosystem in den Garten holen möchte, wählt dafür am besten eine warme, recht sonnige, trockene bis wechselfeuchte Stelle mit durchlässigem, nicht allzu nährstoffreichem Boden. Ein Magerbeet oder der Fuss einer Trockensteinmauer ist ideal; ein aufgewerteter Steingarten, ein mediterranes Kräuterbeet oder der Rand eines Kiesplatzes ebenso. In kleinen Gruppen wirkt die Golddistel am schönsten. Auch für den Balkon eignet sich die Golddistel gut, wobei ihr Topf idealerweise 20 cm tief oder noch tiefer sein sollte, damit sie ihre volle Grösse erreicht. Da diese Pflanzenart nur einmal in ihrem Leben blüht, im zweiten oder dritten Jahr, muss man gut darauf achten, nicht all ihre jungen Blattrosetten zu jäten – die Blätter von heute sind die Blüten von morgen. Auch in Magerwiesen, Ruderalflächen und tiefgründige Dachbegrünungen lässt sich die Golddistel gut integrieren. Hier sucht sie sich von selbst Lücken, in die sie sich versamt, solange sie nicht vor September abgemäht wird.

Eine Pflanze in Bedrängnis

Dass die Golddistel und ihre tierische Entourage Zuflucht in unseren Gärten finden dürfen, wird immer wichtiger. Denn die Lebensräume der Golddistel sind auf einen Bruchteil zusammengeschrumpft und nehmen weiter ab. Die Kiesbänke der wilden Alpenflüsse sind bereits im 19. Jahrhundert der Wasserkraft und den Flussbegradigungen zum Opfer gefallen. Und der mit Abstand wichtigste Lebensraum der Golddistel, die mageren Viehweiden in tiefen Lagen, wurde im 20. Jahrhundert fast vollständig zerstört. Wo die Weidewirtschaft nicht ganz aufgegeben wurde, wurden die Weiden gedüngt und für Golddisteln unbewohnbar gemacht. Heute kommt die Golddistel vielerorts fast nur noch auf Naturschutzflächen vor: in Kiesgruben und lichten Föhrenwäldern, an mageren Böschungen und auf alten Bahnanlagen. Die meisten dieser Standorte sind zu klein und isoliert, um das Überleben der Golddistel und ihrer Mitbewohner langfristig zu sichern. Wir müssen sie pflegen, erweitern und miteinander vernetzen. Lebensräume in Gärten sind ein wichtiger Teil der Lösung. Aber wir brauchen auch grössere gesellschaftliche Massnahmen wie die ökologische Infrastruktur, ein visionäres Projekt von Bund und Kantonen, das in Zukunft schweizweit gefährdete Lebensräume erhalten und wiedervernetzen soll.

Begleitstauden

Wer Begleitstauden für die Golddistel sucht, kann aus einer reichen Palette auswählen. Es empfiehlt sich, eher schwachwüchsige Arten einzusetzen, die die ebenfalls konkurrenzschwache Golddistel nicht verdrängen. Hier nur eine kleine Handvoll zur Inspiration:

  • Der Schopfige Hufeisenklee (Hippocrepis comosa) ist eine hübsche, immergrüne Polsterpflanze, die schon ab Mai leuchtend gelb blüht. Sie wird von zahlreichen Schmetterlingen als Raupennahrung und Nektarquelle genutzt, unter anderem vom Himmelblauen (Polyommatus bellargus) und vom Silbergrünen Bläuling (Polyommatus coridon), die gerne an der Golddistel Nektar saugen.
  • Eine ganze Reihe weisser Doldenblütler lässt sich gut mit der Golddistel kombinieren. Das Highlight darunter ist die lang blühende Wilde Möhre (Daucus carota), Lieblingsnahrung des Schwalbenschwanzes (Papilio machaon) und Tummelplatz zahlloser Wildbienen, Käfer und Schwebfliegen. Aber auch die Hirschwurz (Peucedanum cervaria), Laserkräuter (Laserpitium) oder der Hirschheil (Seseli libanotis) kommen infrage, besonders an Mauern und zwischen Steinen.
  • Die Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) blüht etwa zeitgleich mit der Golddistel, in lila oder weiss. Von ihr ernähren sich spezialisierte Masken- (Hylaeus) und Scherenbienen (Chelostoma) sowie Schwebfliegen, deren Larven exzellente Blattlausvertilger sind.
  • Ebenfalls zur selben Zeit blüht das Rosmarin-Weidenröschen (Epilobium dodonaei), das nicht nur eine pinke Blütenpracht und eine exzellente Trachtpflanze für Wild- und Honigbienen ist, sondern auch die Raupennahrung des Kleinen Weinschwärmers (Deilephila porcellus) und des Fledermausschwärmers (Hyles vespertilio), zweier beeindruckender Nachtfalter.
  • Mehrere kriechende Lippenblütler sind ebenfalls regelrechte Magnete für Wild- und Honigbienen. Zum Beispiel der Arznei-Feldthymian (Thymus pulegioides) und der Edel-Gamander (Teucrium chamaedrys, beide rosa), der Berg-Gamander (Teucrium montanum) und der Griechische Oregano (Origanum vulgare ssp. hirtum, beide weiss) oder der Ysop (Hyssopus officinalis, blau).
  • Die tiefblauen Ruten des Ährigen Ehrenpreis (Pseudolysimachion spicatum) locken von Juli bis September kleinere Wildbienen an.
  • Einige Frühblüher, die sich gut mit der Golddistel kombinieren lassen, sind verschiedene Traubenhyazinthen (Muscari), Milchsterne (Ornithogalum) und Gelbsterne (Gagea). Sie stellen für Honigbienen und frühe Wildbienenarten eine willkommene Nahrungsquelle dar.
  • Das Wimper-Perlgras (Melica ciliata) mit seinen flauschigen weissen Ähren ist ebenfalls ein schöner farblicher Kontrast. Je nach Standort wird es auch von Schmetterlingen wie dem Mauerfuchs (Lasiommata megera) als Raupennahrung genutzt.
Foto: Sarah Grossenbacher
Eine Holzbiene (Xyclopa) auf der Pfirsichblättrigen Glockenblume (Campanula persicifolia).

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