Felsenkirsche: ein rundum nützlicher Zukunftsbaum

04/24 | Natur und Wildbienen
Daniel Ballmer, Verein Floretia (daniel@floretia.ch)

Wenn Ihr Garten unter Hitze und Trockenheit leidet, dann ist die Felsenkirsche (Prunus mahaleb) genau der richtige Strauch für Sie. Sie toleriert auch die widrigsten Bedingungen, fördert Bienen, Schmetterlinge und Vögel und besticht mit duftendem Holz und aromatischen Fruchtsteinen. Sie mag ein ziemlich unbekanntes Gehölz sein – aber wer die Felsenkirsche kennt, schliesst sie bald ins Herz.

Südhänge sind wunderbare Orte zum Leben. Aber wer sich an einem Südhang niedergelassen hat, sieht schnell ein, dass die meisten beliebten Gartenpflanzen dort schlecht Fuss fassen können. Zu trocken, zu heiss sind die Bedingungen, oft ist auch der Boden zu karg. Lösungen gibt es zweierlei: Entweder passen wir die Bedingungen an die Pflanzen an, mit sehr viel Wasser, aufwendigen Erdarbeiten, komplexer Ingenieurtechnik und einer guten Versicherung, denn wenn die Bewässerungsanlage in den Sommerferien mal aussteigt, ist innert kürzester Zeit alles tot. Oder aber wir greifen von Anfang an zu trockenheitsliebenden, widerstandsfähigen Pflanzen.

Diese finden wir nicht etwa nur im Mittelmeerraum, sondern auch in den trockensten Lagen der Schweiz, in Lebensräumen mit malerischen Namen wie Kugelblumenrasen, Blutstorchschnabelflur oder Flaumeichenwald. Einige sind heute schon beliebt, zum Beispiel die Europäische Felsenmispel (Amelanchier ovalis) oder die Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia). Andere hätten deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient – so auch die Felsenkirsche oder Steinweichsel (Prunus mahaleb), die uns im April mit ihrer üppigen schneeweissen Blütenpracht bezaubert.

Foto: Stefan Lefnaer, Wikimedia Commons
An Wildstandorten wächst die Felsenkirsche (Prunus mahaleb) oft an den kargsten, exponiertesten Stellen (Foto: Stefan Lefnaer, Wikimedia Commons).
Foto: Krzysztof Ziarnek, Wikimedia Commons
Angepflanzte Felsenkirschen wachsen oft zu formschönen, mehrstämmigen Bäumchen heran (Foto: Krzysztof Ziarnek, Wikimedia Commons).

Die Felsenkirsche wächst an heissen und trockenen Orten in Südeuropa, im Nahen Osten und in fast allen Regionen der Schweiz. Grössere Bestände gibt es aber nur im Wallis, am Jurasüdfuss und am Genfersee. In der Natur bleibt sie meist klein, ein malerisch-knorriger Strauch auf einem Felsvorsprung. Die Felsenkirsche ist so genügsam, dass sie sich sogar als Bonsai ziehen lässt. Wo sie auf etwas besseren Böden wachsen darf, kann sie aber durchaus zu einem stattlichen, mehrstämmigen Baum heranwachsen und sechs bis zehn Meter Höhe erreichen. An solchen Standorten entfaltet sie auch ihr volles Blütenmeer, das es durchaus mit Süss-, Vogel- und Traubenkirsche aufnehmen kann.

Die Kirschblüte zwischen Mitte April und Anfang Mai ist für zahllose Bestäuber wichtig. Sie überbrückt mit ihrem Nektar- und Pollenreichtum die Zeit zwischen den frühsten Sträuchern wie Salweide (Salix caprea) und Schwarzdorn (Prunus spinosa) und dem Höhepunkt der Wiesen- und Heckenblüte. Sehr früh auftretende Bestäuber wie die ersten Honigbienen, die Hummelköniginnen (Bombus) oder die mit etwas übertriebenen Nachdruck benamste Frühe Frühlingsschwebfliege (Melangyna lasiophthalma) sammeln gerne an Felsenkirsche weiter, wenn der Schwarzdorn verblüht. Nochmals artenreicher ist die Bestäubergeneration, die mit der Kirschblüte erst erwacht: Sie umfasst Juwelen wie den Goldglänzenden Rosenkäfer (Cetonia aurata), die ersten Moschusböcke (Aromia moschata), die leuchtend orange Igelfliege (Tachina fera) oder die flauschige Graue Sandbiene (Andrena cineraria). Letztere ist nur ein Beispiel unter Dutzenden unspezialisierten Wildbienen, die von der Kirschblüte profitieren.

Die glänzend grünen Blätter der Felsenkirsche, die auf die Blüten folgen, sind von einer dicken Wachsschicht überzogen, die sie gegen das Austrocknen schützt. Trotzdem haben auch sie ihre Liebhaber – und schönere könnte man sich kaum wünschen. Für den Segelfalter (Iphiclides podalirius), den seltenen, getigerten Verwandten des Schwalbenschwanzes, sind Felsenkirschen neben Schwarzdorn die wichtigste Nahrungspflanze. Besonders gerne legt er seine Eier an knorrigen, etwas geschwächten Felsenkirschen ab. Auch das Wiener Nachtpfauenauge (Saturnia pyri), einer unserer grössten Nachtfalter, nutzt die Blätter der Felsenkirsche gerne als Raupennahrung. Später wachsen zwischen diesen Blättern dann kleine schwarze Kirschen heran, die trotz ihrem grossen Stein und ihrem bitteren Geschmack bei der Vogelwelt beliebt sind. Amseln (Turdus merula) und Mönchsgrasmücken (Sylvia atricapilla) gehören zu ihren grössten Fans.

Ein häufiger Besucher der Gelsenkirchen und anderen weissen Frühlingsblumen ist der Goldglänzende Rosenkäfer (Cetonia aurata) (Foto: Daniel Ballmer).
Der Segelfalter (Iphiclides podalirius) besticht mit seinen Tigerstreifen und besucht verschiedenste Blüten. Bei der Eiablage ist er deutlich wählerischer und sucht gezielt nach geschwächten Schwarzdorn- und Felsenkirschen-Sträuchern. (Foto: Daniel Ballmer).
Wenn im Frühling etwas leuchtend Oranges in unruhigem Flug an einem vorbeizischt, ist es oft die Igelfliege (Tachina fera). Sie besucht gern dichte weisse Blütenstände, und ihre Larven jagen Raupen an Bäumen und Sträuchern.

Auch für uns Menschen hat die Felsenkirsche einiges zu bieten – wenn auch nicht gerade das, was wir von einer Kirsche erwarten. Das dünne, bittere Fruchtfleisch überlassen wir besser den Vögeln. Aber der Stein lässt sich trocknen und zu einem Gewürz mahlen, das an Bittermandel mit süssen Noten erinnert. Es ist in nahöstlichen Lebensmittelläden unter seinem arabischen (mahlab) oder türkischen Namen (mahlep) zu finden und wird für Kuchen, Marinaden und Desserts verwendet. Aufgrund seines hohen Kumarin-Gehalts sollte es eher sparsam verwendet werden, ähnlich wie Zimt. Auch das aromatische Holz ist vielseitig einsetzbar. In Österreich wurden Felsenkirschen als kleine Kopfbäumchen gezogen, deren Ruten alle vier Jahre geerntet und zu Wanderstöcken und Tabakpfeifen verarbeitet wurden. Diese Tradition ist leider fast ausgestorben, obwohl sie mit wenig Arbeit und ganz ohne Dünger oder Pestizide auskam. Wir sollten sie wieder­beleben; nicht zuletzt, weil Kopfbäume äusserst wertvolle Lebensräume für Totholzkäfer und andere Tiere darstellen. Aber auch aus dem Holz normal gewachsener Felsenkirschen lassen sich Schnitzereien und Duftkissen herstellen.

Foto: Stanislav Jermář, Wikimedia Commons
Alte Felsenkirschen können wunderbar knorrige Formen annehmen. An ihnen sieht man auf den ersten Blick, warum diese Baumart auch bei Bonsai-Züchtern recht beliebt ist (Foto: Stanislav Jermář, Wikimedia Commons).

Felsenkirsche im Garten

Die Nische der Felsenkirsche in der freien Natur ist nur so eng, weil die Art so langsam wächst. An den meisten Orten, an denen es ihr gefallen würde, wird sie schlicht von wüchsigeren Pflanzen überwuchert und verdrängt. Im Garten, wo diese Konkurrenz eine kleinere Rolle spielt, sind Felsenkirschen tolerant und vielseitig einsetzbar. Wo es sonnig und nicht allzu feucht ist, stehen sie gerne. Sie lassen sich in Hecken ebenso einbinden wie in Felsengärten, und auf Dachterrassen oder in Alleen fühlen sie sich ebenso wohl wie in Pärken und Gärten. Nur auf sauren Böden (über Granit oder auf ehemaligen Moor- oder Fichtenwaldböden) gedeiht die Felsenkirsche nicht gut. Je nachdem, wie sie in der Baumschule gezogen wurde, wächst die Felsenkirsche als Strauch, Kopfbaum, ein- oder mehrstämmiger Baum. Den Beschnitt verträgt sie gut, allerdings gibt es beim langsamen Wachstum der Art nur alle paar Jahre mal etwas zurückzuschneiden.

Foto: Katrin Schneider, Wikimedia Commons
Hecken mit der Felsenkirsche erscheinen Mitte April als wunderschönes Blütenmeer (Foto: Katrin Schneider, Wikimedia Commons).

Beim Kauf der Pflanze sollten wir darauf achten, regionale Ökotypen zu beziehen – also Bäumchen, die aus Samen aus der Region gezogen wurden. Eine Übersicht, welche Baumschulen regionale Ökotypen verkaufen, erhalten Sie im Kasten. Felsenkirschen werden von Insekten bestäubt und von Vögeln verbreitet. Ihre Pollen und Samen wandern viel weniger weit als jene von windbestäubten Bäumen wie Eichen (Quercus) oder windverbreiteten wie Pappeln (Populus). Das heisst, dass sich die vielen kleinen, isolierten Vorkommen der Felsenkirsche genetisch recht stark voneinander unterscheiden könnten. Untersuchungen dazu gibt es aber bislang nur aus Spanien und dem Nahen Osten, keine aus Mitteleuropa.

Felsenkirschen aus Ihrer Region

Mit Pflanzen, die aus der Region stammen, stellen Sie generell sicher, dass diese optimal an das lokale Klima angepasst sind und für die lokalen Bestäuber zum richtigen Zeitpunkt blühen. Zudem tragen Sie zum Erhalt der genetischen Vielfalt der Pflanzenart bei. Bei folgenden Baumschulen finden Sie regionale Ökotypen der Felsenkirsche:

Mittelland: Forstbaumschulen Lobsigen (BE), Kressibucher (TG), Rüti-Wald-Dürnten (ZH) und Finsterloo (ZH); Baumschulen Aebi-Kaderli (FR), Lüscher (ZH) und Reichenbach (ZH); Wyss-Gärtnereien (Nordwestschweiz)

Jura: Forstbaumschulen Emme (BE) und Genolier (VD); Sträucherei Simon Bolz (BE).

Nordalpen: Forstbaumschulen Rodels (GR) und Liechtenstein.

Wallis: Triage forestier in Fully (VS).

Tessin: Vivaio forestale in Lattecaldo (TI).

Begleitpflanzen für trockenwarme Orte:

Die folgenden wild- und honigbienenfreundlichen Sträucher lassen sich mit der Felsenkirsche zu schönen, lang blühenden Wildhecken kombinieren:

• Kornelkirsche (Cornus mas) und Schwarzdorn (Prunus spinosa), Frühblüher im März/April.

• Flaum-Eiche (Quercus pubescens), Schneeballblättriger Ahorn (Acer opalus), Eingriffeliger Weissdorn (Crataegus monogyna) und Felsenmispel (Amelanchier ovalis) blühen etwa zeitgleich mit der Felsenkirsche, locken aber zum Teil andere Bestäuber an.

• Gemeine Berberitze (Berberis vulgaris), Strauchwicke (Hippocrepis emerus), Besenginster (Cytisus scoparius) und Wildrosen wie die Wein-Rose (Rosa rubiginosa), die Filzige Rose (Rosa tomentosa) oder die Reichstachelige Rose (Rosa spinosissima) blühen nach der Felsenkirsche im Mai und teilweise bis in den Juni hinein.

• Wer die Heckenblüte noch bis in den September hinein verlängern will, ist an milden Lagen mit dem mediterranen Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus) gut beraten.

Ein idealer Unterwuchs für die Felsenkirsche sind niedrige, bienenfreundliche Wildstauden, die ähnliche Bedingungen mögen wie sie:

• Zweiblättriger Blaustern (Scilla bifolia), Frühlings-Platterbse (Lathyrus vernus) und Buchsblättrige Kreuzblume (Polygala chamaebuxus) blühen schon ab Ende März oder Anfang April.

• Schopfiger Hufeisenklee (Hippocrepis comosa) und Karpaten-Wundklee (Anthyllis vulneraria subsp. carpatica) blühen im Anschluss an die Felsenkirsche und dienen zahlreichen Schmetterlingen als Raupennahrung.

• Edel-Gamander (Teucrium chamaedrys), Echter Dost (Origanum vulgare), Blutroter Storchschnabel (Geranium sanguineum) und Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) verlängern die Blühzeit bis in den Herbst hinein und locken verschiedenste Wildbienen an.

Wenn Sie sich ein etwas breiteres, systematischeres Wissen über die Förderung von Wildbienen im Garten erarbeiten möchten, helfen die Bienenschutz-Kurse von BienenSchweiz. Alles Wichtige dazu finden Sie unter: www.bienen.ch/kurs

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