Oben Biene, unten Raupe: Trachtpflanzen als Kinderstube für Schmetterlinge

08/23 | Natur und Wildbienen
Daniel Ballmer, Verein Floretia (daniel@floretia.ch)

Die Förderung von Wildbienen und Schmetterlingen im Garten kann wunderbar Hand in Hand gehen – aber nicht jeder Wildbienengarten ist automatisch auch ein Lebensraum für Schmetterlinge. Hier sind einige Tipps für Pflanzen und Pflegemassnahmen, mit denen Ihr Wildbienenparadies gleich auch noch ein Schmetterlingsgarten wird.

Die meisten Wildbienen sind vergleichsweise einfach zu fördern: Sie fühlen sich wohl, wenn in einem einigermassen kleinen Umkreis genügend Nahrungspflanzen und Nistplätze zur Verfügung stehen, die Lichtverhältnisse mehr oder weniger stimmen und diese Lebensgrundlagen nicht durch Gift oder unzeitiges Mähen zerstört werden. Für Schmetterlinge muss grundsätzlich dasselbe gegeben sein – aber ihre Ansprüche sind oft viel enger und spezifischer.

Das beginnt schon bei den Nahrungspflanzen: Die Gewöhnliche Natternkopfbiene (Hoplitis adunca) ist eine der wenigen Bienenarten, die ihren Nachwuchs nur mit dem Pollen einer einzigen Pflanzengattung versorgen – Natterköpfe (Echium). So eine enge Spezialisierung ist bei den Tagfaltern deutlich weiter verbreitet als bei den Bienen. Die Raupen des Roten Apollo (Parnassius apollo) fressen nur Mauerpfeffer (Sedum), jene des Tagpfauenauge (Aglais io) nur Brennnesseln (Urtica). Aber während die spezialisierte Mauerbiene neben dem einheimischen Natterkopf (Echium vulgare) problemlos auch südeuropäische Natterkopfarten anfliegt, legt der Rote Apollo seine Eier in der Schweiz praktisch nur an einer Unterart des Weissen Mauerpfeffers (Sedum album ssp. album) ab und ignoriert alle anderen Mauerpfeffer-Arten – obwohl seine Raupen auch von ihnen gut leben könnten. Und während die Mauerbiene zu ihrer eigenen Ernährung an verschiedensten Blüten Nektar trinkt, vor allem am Natterkopf selbst, fliegt das Tagpfauenauge fast nur auf lilafarbene Blüten. Für Schmetterlinge müssen also nicht nur die passgenauen Raupenpflanzen da sein, sondern auch eine Auswahl an Nektarquellen.

Auch an den Lebensraum stellen Schmetterlinge oft deutlich höhere Ansprüche als Wildbienen. Der Hauptgrund dafür ist, dass ihre Larven und meist auch die Puppen im Freiland leben und nicht irgendwo sicher verstaut in einer Höhle. Das heisst, dass Teile ihres Lebensraums auch dann ungestört bleiben müssen, wenn keine ausgewachsenen Schmetterlinge fliegen. Viele Wiesenschmetterlinge zum Beispiel leben als Raupe fast ein ganzes Jahr lang auf ihrer Futterpflanze (wie das Schachbrett, Melanargia galathea) oder verpuppen sich im Herbst oft an einem dürren Stängel in der Wiese (wie die Rotwidderchen der Gattung Zygaena). Diese Arten verschwinden meist, wenn man ihre Wiesen vollständig abmäht – egal, wann dies passiert. Eine Chance haben sie nur da, wo Wiesen abschnittsweise gemäht werden und Altgrasstreifen auch über den Winter stehen bleiben dürfen.

Schmetterlingsraupen und ihre Pflanzen – keine friedfertige Beziehung

Eine spannende Beziehung, die erst seit Kurzem erforscht wird, besteht zwischen Schmetterlingsraupen und Böden. Der Kleine Feuerfalter (Lycaena phlaeas) zum Beispiel legt seine Eier an Ampfern (Rumex) ab. Aber während die meisten Ampfern nährstoffreiche Böden bevorzugen, kommt der Feuerfalter praktisch nur auf relativ kargen Böden vor. Der Grund dafür wurde kürzlich in einem Experiment festgestellt: Je mehr Nährstoffe den Ampfern zur Verfügung stehen, desto besser können sie sich chemisch gegen die Raupen des Feuerfalters wehren. Auf gut gedüngten Ampfern hatten die Raupen kaum mehr Überlebenschancen. Auch andere Schmetterlinge suchen sich gestresste Pflanzen als Kinderstube, zum Beispiel der Segelfalter (Iphiclides podalirius), der seltene, mit Tigerstreifen verzierte Verwandte des Schwalbenschwanzes. Er sucht für die Eiablage gezielt nach kleinen, krummen Schwarzdornen (Prunus spinosa) und anderen Rosengewächsen, die unter Nährstoffmangel, Hitze- und Trockenstress leiden.

Schmetterlinge, wie diese Beispiele zeigen, haben als Bestäuber und Pflanzenfresser eine gespaltene Beziehung zu ihren Pflanzen. Reine Nektar- und Pollensammler, wie Bienen es sind, ernähren sich von Pflanzenteilen, die die Pflanze freiwillig hergibt. Geht es ihren Pflanzen gut, geht es auch ihnen gut. Schmetterlinge haben dieselbe Beziehung zu ihren Nektarquellen, nicht aber zu ihren Raupenpflanzen. Für diese sind sie Feinde, gegen die sich die Pflanze mit physischen und chemischen Mitteln zur Wehr setzt, wenn sie die Ressourcen dazu hat.

Ein Garten, der Raum für Schmetterlinge bieten soll, muss dieser Beziehung Rechnung tragen und die Raupenpflanzen dort präsentieren, wo sie für die Schmetterlinge am attraktivsten sind – und das ist nicht immer da, wo die Pflanze am liebsten stehen würde. Wenn ein Wald-Veilchen (Viola reichenbachiana) neben einem Föhren- oder Fichtenstamm steht, wird der Kaisermantel (Argynnis paphia) seine Eier viel eher daran ablegen. Wenn eine Rote Heckenkirsche (Lonicera xylosteum) etwas sonniger steht als empfohlen, wird sie der kolibrihafte Hummelschwärmer (Hemaris fuciformis) viel eher als Raupenpflanze nutzen. Und Hornklee (Lotus corniculatus) und Saat-Esparsette (Onobrychis viciifolia) wachsen zwar gut in nährstoffreichen Beeten, aber die meisten Bläulinge und Widderchen, die sich von ihnen ernähren, werden sich dort nicht einstellen.

Der Hornklee (Lotus corniculatus) ist nicht nur eine vielseitige Raupenpflanze, er erhält an trockenwarmen Stellen oft Besuch von der Kleinen Harzbiene (Anthidium strigatum).
An den dünnen Stielen und Fiederblättern des Wiesen-Schaumkrauts (Cardamine pratensis) scheint kaum etwas dran zu sein. Für mehrere Weisslinge (Pieridae) ist es trotzdem die wichtigste Raupennahrung, und die pollenreichen Blüten locken Wildbienen an.
Schmetterlinge wie der Gelbwürfelige Dickkopffalter (Carterocephalus palaemon), die als Raupe schattige Stellen bevorzugen und als Schmetterling an der Sonne fliegen, lassen sich gut in Gärten fördern. Es müssen nur die passenden Pflanzen vorhanden sein.

Schmetterlingsmagnete im Garten

Glücklicherweise spielen viele der Ansprüche, die Schmetterlinge an ihre Raupenpflanzen stellen, auch den Wildbienen in die Hände. Wo eine Schattenpflanze etwas sonniger steht, als es ihr lieb ist, dort steht sie auch einer breiteren Vielfalt an Wildbienen zur Verfügung – denn viele Arten fliegen nur an der Sonne. Auch magere Böden stehen bei den Wildbienen bekanntlich hoch im Kurs, weil sie nie vollständig von Pflanzen überwachsen werden und stets kahle, sonnige Stellen bieten. Solche Stellen sind für Wildbienen ideal zum Graben ihrer Nisthöhlen und zum Aufwärmen am Morgen.

Mit mageren Beeten, schrittweise gemähten Blumenwiesen und ausgewählten Wildsträuchern lassen sich in fast jedem Garten Bienen und Schmetterlinge gemeinsam fördern. Solche Elemente passen selbstverständlich gut in einen wilden Naturgarten – aber lange nicht nur dahin. Auch in gestalteten Gärten lassen sie sich mit etwas Fantasie sehr gut einbauen. Den meisten Schmetterlingen ist es egal, ob ein Magerbeet wild aussieht oder streng geometrisch gestaltet und von einer stilvollen Trockenmauer umgeben ist. Auch eine Blumenwiese wirkt ganz aufgeräumt, wenn ihre Ränder häufiger gemäht werden. Und Wildsträucher und Kopfweiden am richtigen Ort können ohnehin fast jeden Garten bereichern, ohne seinen Stil zu beeinträchtigen.

Wo der majestätische Segelfalter (Iphiclides podalirius) noch vorkommt, fliegt er gerne auch Gärten an, um sich mit Nektar zu versorgen. Eier legt er aber nur an Schlehen (Prunus spinosa) oder anderen Rosengewächsen ab, die in stark geschwächtem Zustand sind.
Der Schachbrettfalter (Melanargia galathea) lässt sich auch in kleinen Wiesen gut fördern, solange sie nie vollständig abgemäht werden. Seine Raupen wachsen an Gräsern auf; die erwachsenen Schmetterlinge saugen gerne an Korbblütlern wie dieser Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea).
Einer der Schmetterlinge, die sich am einfachsten in Gärten fördern lassen, ist der Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus). Mit etwas Klee (Trifolium, Lotus) oder Luzerne (Medicago) ist er bereits zufrieden. Nektar saugt er an vielen Blüten, an Licht und Boden stellt er kaum Ansprüche.

Zum Schluss noch ein kleiner Warnhinweis zu einem Strauch, der in Gartencentern und Baumärkten leider immer noch viel zu oft als Schmetterlingspflanze verkauft wird: Der Sommerflieder (Buddleja davidii) ist eine invasive Art, die Abertausende winziger Samen in den Wind streut. Von ihm ist dringend abzuraten. Seine Blüten mögen Schmetterlinge anziehen, aber seine Nachkommen überwuchern ausgerechnet jene mageren Orte, wo die meisten Schmetterlingsraupen heranwachsen. Wilder Dost (Origanum vulgare), Skabiosen (Scabiosa, Knautia, Succisa), lila Disteln (Carduus, Onopordum, Silybum) und Sandrapunzeln (Jasione) sind genauso gute Nektarquellen. Wer sie im Garten pflanzt, wird den Sommerflieder nicht vermissen. Und wer den Sommerflieder wegen seines Aussehens schätzt, wird mit dem Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus) genauso glücklich.

Schon kleine Wiesen reichen aus, um gewisse Schmetterlinge und Wildbienen zu fördern. In diesem schmalen Wiesenstreifen an einer vielbefahrenen Strasse in Winterthur vermehrt sich seit mehreren Jahren das Sechsfleck-Widderchen (Zygaena filipendulae), und auch Wildbienen verkehren hier zahlreich.
Schon kleine Wiesen reichen aus, um gewisse Schmetterlinge und Wildbienen zu fördern. In diesem schmalen Wiesenstreifen an einer vielbefahrenen Strasse in Winterthur vermehrt sich seit mehreren Jahren das Sechsfleck-Widderchen (Zygaena filipendulae), und auch Wildbienen verkehren hier zahlreich.

Pflanzen, die Bienen und Raupen ernähren

  • Salweide (Salix caprea) an sonnigen Orten ist Raupennahrung für Dutzende Tag- und Nachtfalter, darunter der C-Falter (Polygonia c-album), der Grosse Schillerfalter (Apatura iris) und der Grosse Fuchs (Nymphalis polychloros). Wichtige Nektar- und Pollenquelle für Honigbienen, Hummelköniginnen und zahlreiche frühe Wildbienen, darunter neun spezialisierte Sandbienen-Arten (Gattung Andrena).
  • Artenreiche Blumenwiesen, die selten und abschnittsweise gemäht werden, sodass immer Rückzugsgebiete vorhanden sind, auch über den Winter. Schon kleine Wiesen liefern Raupennahrung und Nektar für zahlreiche Tag- und Nachtfalter, unter anderem für den Schachbrettfalter (Melanargia galathea), das Sechsfleck-Widderchen (Zygaena filipendulae) oder den Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus). Zudem sind sie Nektar- und Pollenquellen für Honigbienen, Hummeln und unzählige Wildbienen.
  • Schopfiger Hufeisenklee (Hippocrepis comosa)in Gruppen an sonnigen Orten auf mageren Böden. Raupennahrung mehrerer Bläulinge, Dickkopffalter und Weisslinge, unter anderem für den Himmelblauen Bläuling (Lysandra bellargus), den Hufeisenklee-Gelbling (Colias alfacariensis) und den Tintenfleck (Leptidea sinapis). Nektar- und Pollenquelle vor allem für Mauerbienen (Osmia).
  • Echter Hornklee (Lotus corniculatus) an sonnigen Orten auf mageren Böden. Raupennahrung für mehrere Bläulinge, Weisslinge und Widderchen, unter anderem den Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus) und das Beilfleck-Widderchen (Zygaena loti). Nektar- und Pollenquelle für Dutzende Wildbienen, auch spezialisierte Arten wie die Grosse Harzbiene (Anthidium byssinum).
  • Schwarzdorn (Prunus spinosa) an sonnigen, am besten etwas mageren und trockenen Orten. Raupennahrung für Dutzende Tag- und Nachtfalter, unter anderem für den Nierenfleck (Thecla betulae), den Schlehen-Bürstenspinner (Orgyia antiqua) und in extrem geschwächtem Zustand auch für den Segelfalter (Iphiclides podalirius). Nektar- und Pollenquelle für zahlreiche frühe Wildbienen, Honigbienen und Hummeln.
  • Karpaten-Wundklee (Anthyllis vulneraria ssp. carpatica) in Gruppen an sonnigen Orten auf mageren Böden. Raupennahrung für den Zwerg-Bläuling (Cupido minimus) und den Rotklee-Bläuling (Cyaniris semiargus). Nektar- und Pollenquelle für Honigbienen und einige Wildbienen.
  • Faulbaum (Frangula alnus) an frischen bis feuchten, etwas sonnigen Stellen. Raupennahrung für den Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni) und den Faulbaum-Bläuling (Celastrina argiolus). Nicht sehr ergiebige, aber lang zur Verfügung stehende Nektar- und Pollenquelle für Wild- und Honigbienen.
  • Sonnenröschen (Helianthemum nummularium)in Gruppen an sonnigen Orten auf mageren Böden. Raupennahrung für die beiden Sonnenröschen-Bläulinge (Aricia agestis, Aricia artaxerxes) und mehrere Würfelfalter (Gattung Pyrgus). Gute Nektar- und Pollenquelle für Honigbienen und zahlreiche unspezialisierte Wildbienen.
  • Rote Heckenkirsche (Lonicera xylosteum) am Übergang von Sonne und Schatten. Raupennahrung des Hummelschwärmers (Hemaris fuciformis) und des Kleinen Eisvogels (Limenitis camilla), Nektar- und Pollenquelle für Hummeln.
  • Blutweiderich (Lythrum salicaria) an sonnigen bis halbschattigen, feuchten bis nassen Stellen. Raupennahrung für den Faulbaum-Bläuling (Celastrina argiolus) und Nachtpfauenaugen (Gattung Satyrium). Nektar- und Pollenquelle für zahlreiche Wildbienen, unter anderem spezialisierte Arten wie die Blutweiderich-Sägehornbiene (Melitta nigricans).
  • Wilde Möhre (Daucus carota) an sonnigen bis halbschattigen Stellen. Raupennahrung für den Schwalbenschwanz (Papilio machaon), Nektar- und Pollenquelle für zahlreiche Käfer, Schwebfliegen und Wildbienen, darunter spezialisierte Arten wie die Frühen Doldensandbienen (Andrena-proxima-Komplex).
  • Mehr Wildpflanzen für jeden Schweizer Garten oder Balkon finden Sie auch auf der Gratis-Webplattform www.floretia.ch. Geben Sie ein paar einfache Angaben zum Standort ein und wählen Sie einige Pflanzen aus. Sie erhalten innert Sekunden eine bebilderte Pflanzenliste und punktgenaue Angaben, bei welchen Gärtnereien Sie diese Pflanzen beziehen können.

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Wenn Sie sich ein etwas breiteres, systematischeres Wissen über die Förderung von Wildbienen im Garten erarbeiten möchten, helfen die Bienenschutz-Kurse von BienenSchweiz. Alles Wichtige dazu finden Sie hier.

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