Winterfutter und Überwinterung – was liegt den Bienen schwer im Magen?

08/23 | Wissenschaft und Praxis
Hannes Beims, Bezirk Oberbayern – Fachberatung für Imkerei, München (D), (Hannes.Beims@Bezirk-Oberbayern.de) und Martina Janke, LAVES – Institut für Bienenkunde Celle (D) (Martina.Janke@LAVES.Niedersachsen.de)

Als Imkernde profitieren wir von der Vorbereitung unserer Bienen auf den Winter: Wir ernten ihren Futtervorrat und reichen ihnen ein Ersatzfutter für den Winter. Dabei stehen uns verschiedene Arten von Winterfutter zur Verfügung, die allesamt über verschiedene Vor- und Nachteile verfügen. Einige Aspekte der verschiedenen Futter möchten wir hierbei beleuchten.

Wie jedes Lebewesen ist die Biene auf Nahrung angewiesen. Dabei bestehen Nahrungsmittel aus drei grundsätzlichen Bestandteilen: Kohlenhydraten, Fetten und Eiweissen. Hinzu kommen Vitamine und Spurenelemente. Kohlenhydrate in Form verschiedener Zucker dienen in erster Linie als Energieträger. Die Bienen decken ihren Energiebedarf für den Winter, indem Sie Nektar sammeln, ihn zu Honig verarbeiten und in ihren Waben einlagern. Während der Aufzucht der Brut, also in der Entwicklung der Biene, werden darüber hinaus Eiweisse (Pollen), Fette und Vitamine, sowie Spurenelemente benötigt. Im Winter geht es der Biene vereinfacht gesagt lediglich um das Überleben. Die nötige Energie hierzu bezieht sie aus dem Winterfutter. Die höchste Energieausbeute wird aus der Zellatmung generiert. Dabei wird Zucker (Glukose) zu Kohlenstoffdioxid und Wasser verstoffwechselt. Die anderen Bestandteile der Nahrung sind für die Energiegewinnung zweitrangig. Da wir den Honig aus unseren Völkern ernten, müssen wir den Bienen ein adäquates Ersatzfutter für den Winter anbieten. Weiterhin zehrt die Biene von den Speicherreserven des im Spätsommer angelegten Fett-Eiweisskörpers.

Ansprüche an das Winterfutter – die Biochemie dahinter

Das Winterfutter dient in erster Linie zur Erzeugung von Energie, zur Sicherung des Überlebens und des Wärmens. Dabei steht die Verstoffwechselung über die Zellatmung im Vordergrund. Ausgangsstoff für die Zellatmung ist der Einfachzucker Glukose (Traubenzucker). Über verschiedene Enzyme (zum Beispiel die Invertase) kann die Biene Haushaltszucker (Saccharose) in Traubenzucker und Fruchtzucker (Fructose) aufspalten. Fruktose kann in einem weiteren Schritt in Glukose umgebaut werden. Vereinfacht gesagt, können Mehrfachzucker schlechter verwertet werden als die Grundbausteine Glukose und Fruktose.

Honige bestehen aus einer Vielzahl verschiedener, auch langkettiger Zucker. Insbesondere bei langkettigen Zuckern wie Melezitose ist bereits bei geringen Konzentrationen eine Sättigung des Honigs erreicht, sodass es zum Auskristallisieren kommt und dieses Futter von den Bienen nicht mehr verwertet werden kann. Weiterhin finden sich in Honigen Mineralstoffe, Pollen und andere Bestandteile.

Die Endprodukte der Zellatmung sind Kohlenstoffdioxid und Wasser. Diese Produkte können von der Biene in die Stockluft abgegeben werden und sammeln sich nicht in der Kotblase an. Nicht alle Zucker und andere Bestandteile des Winterfutters können zu diesen Produkten im Rahmen des Stoffwechsels umgesetzt werden. Es entstehen für die Biene unverdauliche Endprodukte, die in der Kotblase gespeichert werden und erst mit dem Reinigungsflug im Frühjahr abgegeben werden können.

Imkerweisheiten und deren Hintergründe

In der Imkerschaft herrscht weitestgehend die Meinung vor, dass die Bienen auf Honigen, insbesondere dunklen Honigen, schlechter überwintern als beispielsweise auf Zuckerwasser. Vom Grundsatz her liegt dieser Annahme zugrunde, dass Honige höhere Anteile an nicht-verwertbaren Stoffen beinhalten als Zuckerwasser.

Neben klassischem Haushaltszucker (Saccharose) stehen dem Imker heute verschiedenste Ersatzfutter zur Verfügung. Die Produktpalette umfasst beispielsweise Maisstärkesirup, Weizensirup, Sirup aus Rübenzucker und vieles mehr. Sirup aus Mais oder Weizen entsteht, indem die Stärke (vielfach miteinander verbundene Glukose-Moleküle) aus den Körnern in verschiedenen Verfahren in einzelne Glukose-Moleküle oder kürzere Verbindungen hieraus aufgespalten wird. Sirup aus Zuckerrüben ist teilweise bereits in Saccharose, Fruktose und Glukose aufgespalten.

Seit einigen Jahren lässt sich in der Imkerschaft vermehrt ein Trend im Sinne von zurück zu den Ursprüngen erkennen. Diesem Trend nach greifen Imkernde vermehrt auf den Einsatz von Honigen bei der Einfütterung zurück. Teilweise werden die Bienen mit Honig eingefüttert, teilweise werden Honige zugefüttert.

Allgemein lässt sich zusammenfassen, dass Zucker als Winterfutter eine höhere Akzeptanz in der Imkerschaft hat als Honig. Sirup auf Stärkebasis wird von einem Grossteil der Imkernden aufgrund des Ursprungs abgelehnt.

Überwinterung auf unterschiedlichem Winterfutter

Innerhalb eines EU-Projektes haben wir am LAVES – Institut für Bienenkunde in Celle die Überwinterung von kleinen Völkergruppen auf verschiedenen Winterfuttern exemplarisch überprüft und ausgewertet. Aufgrund der kleinen Stichprobe zeigen diese Ergebnisse lediglich einen Trend auf und können nicht für grundsätzliche Aussagen herangezogen werden.

Wir haben fünf verschiedene Winterfutter an jeweils fünf Bienenvölkern getestet: Zuckerwasser 3:2, Blütenhonig, Edelkastanienhonig, Zuckerrübensirup und Maisstärkesirup. Dabei haben wir verschiedene Aspekte der Überwinterung betrachtet. Unter dem Aspekt Futterzusammensetzung waren für uns der Gehalt an Hydroxymethylfurfural (HMF), das Zuckerspektrum und die elektrische Leitfähigkeit von besonderem Interesse. Die augenscheinlich offensichtlichsten Ergebnisse zeigten sich in der Auswinterungsstärke der Bienenvölker.

Im HMF-Gehalt konnten Unterschiede im Ausgangsfutter festgestellt werden. Nach der Einfütterung und Einlagerung durch die Bienen hatten sich diese Werte jedoch weitestgehend angeglichen.

Die Zusammensetzung der Zucker unterschied sich beim Ausgangsmaterial der verschiedenen Futter teilweise stark (siehe Grafik oben). Durch die Einlagerung und Prozessierung durch die Bienen glichen sich die einzelnen Zuckergehalte jedoch weitestgehend an.

Deutliche Unterschiede konnten wir in der elektrischen Leitfähigkeit der Futter feststellen. Die verwendeten Honige wiesen Ausgangswerte von 0,20 mS/cm beim Blütenhonig und 1,46 mS/cm beim Edelkastanienhonig auf. Nach der Einlagerung in den Völkern wurden die elektrischen Leitwerte der eingelagerten Futter erneut bestimmt. Die niedrigsten Werte wiesen die Sirup-Gruppen mit jeweils 0,3 mS/cm auf, die Zuckerwasser-Gruppe hatte einen Wert von 0,4 mS/cm. Die Honiggruppen lagen bei einem etwa doppelt so hohen Wert: Blütenhonig lieferte einen Wert von 0,6 mS/cm und Edelkastanienhonig von 0,7 mS/cm nach der Einfütterung.

Signifikante Unterschiede zeigten sich bei der Auswinterung der Versuchsvölker in der Bienenmasse. Die Völkergruppe, die als Winterfutter Edelkastanienhonig erhalten hatte, wies die mit Abstand geringste Volksstärke auf. Ebenso konnten in vier der fünf Völker Kotflecken festgestellt werden. Diese Völkergruppe hatte zum Zeitpunkt der Auswinterung zudem deutlich mehr Brut angesetzt als die übrigen Völker.

Grafik: Hannes Beims
Grafik: Hannes Beims

Was zeigen uns diese Eindrücke?

Die elektrische Leitfähigkeit lässt sich auf Mineralstoffe, Aminosäuren und organische Säuren zurückführen. Allesamt Stoffe, die nicht zur Energiegewinnung genutzt werden können und sich somit in der Kotblase der Bienen ansammeln. Daraus resultiert eine gewisse Art von Stress, die sich schädlich auf die Bienen auswirkt und somit in einer höheren Sterblichkeit der einzelnen Bienen resultiert. Daraus ergibt sich eine geringere Auswinterungsstärke, verglichen mit den Völkern mit anderem Winterfutter. Diesen Rückstand versuchen die Bienen wesensgemäss durch einen grösseren Bruteinschlag im Frühjahr zu kompensieren. Das Verhältnis zwischen Amme und Brut ist dabei schlechter als in den übrigen Völkergruppen – die Aufzuchtbedingungen der Brut also schlechter. Darüber hinaus ist die Brut einem erhöhten Risiko der Unterkühlung ausgesetzt, wodurch weitere Schädigungen der Völker resultieren können.

Zucker und Blütenhonig waren im Trend, jedoch nicht signifikant schwächer als die Sirup-Gruppen. Der Aspekt der Mineralstoffe könnte eine mögliche Erklärung im Fall des Blütenhonigs darstellen. Die Zusammensetzung des Zuckerwassers als Ausgangsfutter zeigt einen erheblichen Anteil an Saccharose. Diese wurde durch die Bienen zu Fruktose und Glukose im Rahmen der Einlagerung umgearbeitet. Durch diese Umarbeitung wurden die Winterbienen möglicherweise so beansprucht, dass die Bienenzahl bei der Einwinterung geringer ausfiel als in den Sirup-Gruppen.

Die Sirup-Futter weisen neben Glukose und Fruktose im Ausgangsmaterial noch Saccharose (Rübensirup) und Maltose (Maisstärkesirup) auf, einem Zweifachzucker aus zwei Glukose-Molekülen. Die Zweifachzucker müssen von den Bienen zwar im Rahmen der Einlagerung des Futters noch umgearbeitet werden, jedoch sind die Mineralstoffgehalte in diesen Futtern deutlich geringer als in den Honigen.

Neben diesen Punkten sollten bei der Auswahl des Winterfutters jedoch folgende Punkte Beachtung finden: Zuckerwasser ist mikrobiologisch instabil und kann somit leicht von Pilzen und anderen Mikroorganismen besiedelt werden, die die Qualität deutlich herabsetzen können. Sirup-Futter sind hingegen mikrobiologisch stabil. Zuckerwasser und Stärke-basierter Sirup sind relativ stabil, was die Bildung von HMF angeht, wohingegen ein Saccharose-basierter Sirup anfällig für die Bildung von HMF ist. Zudem weisen die Futter eine unterschiedliche Attraktivität für die Bienen auf. Die höchste Attraktivität weist Saccharose-basierter Sirup auf, gefolgt von Zuckerwasser und die geringste der Stärke-basierte Sirup.

Abschliessend gilt es also neben der Beschaffenheit der Futter auch den Zeitpunkt der Darreichung und das noch vorhandene natürliche Futter (Honig) im Bienenvolk zu berücksichtigen. Grundsätzlich zeigen diese Daten, dass Honige mit hohen Mineralstoffgehalten, respektive Honigtauhonige, weniger gut verstoffwechselt werden können und durch ihre Mineralstoffe und Stoffwechselendprodukte die Kotblasen der Bienen über den Winter füllen. Abhängig von der Volksstärke und der Länge des Winters kann dieser zusätzliche Stress zu nachhaltigen Schädigungen der Bienenvölker führen.

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