Digitale Bienenstöcke

01/25 | Wissenschaft und Praxis
Stefan Jans, Regionalberater Zentralschweiz, apiservice gmbh/Bienengesundheitsdienst (BGD), (stefan.jans@apiservice.ch)

Künstliche Intelligenz hält Einzug in unserem Leben und vermehrt auch in der Imkerei. Viele Systeme sind noch in der Entwicklung. Nur einige von ihnen stehen der breiten Imkerschaft bereits zur Verfügung.

Mechanische Stockwaagen müssen auf dem Bienenstand abgelesen werden und zeigen ausschliesslich eine Momentaufnahme. Digitale Stockwaagen liefern Daten in Echtzeit unabhängig von meinem aktuellen Aufenthaltsort und bilden die Gewichtsentwicklung eines Volkes ab. Ziel einiger aktueller Projekte ist es, mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) in die Zukunft zu schauen. Schwarmabgänge bereits Tage im Voraus zu erkennen, oder verlässliche mehrwöchige Trachtvorhersagen sollen möglich werden. All dies wird durch die Verknüpfung und digitale Auswertung aktueller Wetterdaten und Prognosen, phänologischer Beobachtungen (Entwicklung der Pflanzenwelt) und Sensorwerte aus den Bienenvölkern errechnet. Es ist geplant, dass aus den gleichen Daten künftig auch konkrete Handlungsempfeh­lungen für imkerliche Eingriffe in den kommenden Tagen abgeleitet werden können.

Aktuell wird die Interpretation der Daten mehrheitlich der Nutzerin oder dem Nutzer überlassen. Nur wenige Systeme generieren konkrete Handlungsempfeh­lungen oder arbeiten sogar autonom. Die Messwerte verschiedener Völker müssen verglichen und Auffälligkeiten durch die Imkerin/den Imker vor Ort kontrolliert werden. Auf diese Weise ist es schon heute möglich, einige Besuche auf dem Bienenstand einzusparen und die Notwendigkeit von ausserordentlichen Eingriffen rechtzeitig zu erkennen. Regelmässige Brutkontrollen hingegen können nicht durch die Technik ersetzt werden. Die Kombination von erhobenen Daten und eigenen Beobachtungen bleibt zentral.

Aktuelle Technik

In den letzten Jahren finden sich digitale Stockwaagen in der Schweizer Imkerschaft immer häufiger (z. B. HiveWatch, hierzulande sind aktuell 650 Stationen und 2500 Waagen im Einsatz). Mit ihnen lässt sich das Gewicht nicht nur von Einzelvölkern, sondern für alle damit ausgestatteten Beuten laufend und ganzjährig messen. Ein Schwarm- oder Räubereialarm kann automatisch per SMS oder E-Mail versendet werden. Nutzer/-innen erhalten eine Übersicht über den Trachtverlauf und können Futterknappheit erkennen, sofern das Leergewicht der eigenen Beuten bekannt ist oder die Waagen zum richtigen Zeitpunkt (zum Beispiel nach der Sommerernte vor dem Auffüttern) tariert wurden.

Immer häufiger werden Stockkarten per App geführt. Je nach Anbieter beinhalten diese Apps die obligatorische Bestandeskontrolle, das Behandlungsjournal und die Inventarliste für Tierarzneimittel (z. B. die BeeSmart-App, mit aktuell 4500 registrierten Benutzer/-innen in der Schweiz). Die Formulare werden meist in einer Cloud gespeichert und sind daher über Computer oder Smartphones mehrere Jahre lang abrufbar und können geteilt werden.

Zum Schutz vor Diebstahl ist es möglich, Beuten mit einfachen GPS-Trackern auszurüsten oder Bienenstände per Video überwachen zu lassen. Letzteres bedingt aber die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben (siehe SBZ 09/2019, S. 20–21).

Digitale Stockwaagen im Einsatz

Technik der Zukunft

Vermehrt beworben werden Mikrofone, Frequenzmesser und Sensoren für Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Vibration zum Befestigen in oder an der Beute. Solche Produkte sind in der Regel aus vergangenen oder laufenden Forschungsprojekten entstanden1,2,3 und befinden sich meist noch in der Entwicklung. Bei diesen Anwendungen ist die Positionierung der Geräte im Volk von Bedeutung und der Betrieb ist unter Umständen nicht ganzjährig gewährleistet. Zudem verkitten die Bienen Fremdkörper in den Beuten gerne, was zum Problem werden kann. Die anfallende Datenmenge ist riesig und kann durch die Imker/-innen kaum interpretiert werden. Für die Verarbeitung kommt oft KI zum Einsatz, welche mit konkreten Beobachtungen und Dateneingaben der Imkerin/des Imkers trainiert wird. Dadurch lernt das System laufend dazu und wird immer besser. Die Hoffnung ist, aus den Werten der Sensoren künftig Empfehlungen für Eingriffe am Bienenvolk zu generieren.

Einige Hersteller von Stockwaagen bieten die oben beschriebenen Sensoren bereits optional an. Die automatisierte Datenauswertung befindet sich aber meist noch in den Kinderschuhen. Als Anwender/-in wirkt man daher fast immer aktiv an der Entwicklung mit und kann noch kein perfekt ausgeklügeltes System mit ausführlichen, in die Zukunft gerichteten Handlungsempfeh­lungen erwarten. Aktuell können gewisse Produkte feststellen, ob die Bienen noch leben, Brut pflegen oder das Futter im Winter knapp wird. Ausserdem ist eine Schwarmvorhersage für die kommenden Tage möglich. Das Erkennen von Gesundheitszustand oder gar einzelner Krankheiten hingegen gelingt aktuell noch nicht.

Ebenfalls in den Anfängen steckt der für Forschungseinrichtungen entwickelte Unterlagenscanner von BeePal (beepal.de). Die Unterlage funktioniert wie ein selbstreinigendes Förderband, das laufend fotografiert wird, um eine Varroabefallsprognose zu generieren. Die Vorhersage wird laut Hersteller durch ein selbstlernendes neuronales Netzwerk (KI) möglich gemacht, das Faktoren wie die Jahreszeit, die Temperatur, die Grösse und die Entwicklung des Bienenvolks berücksichtigt. Zusätzliche Sensoren für Temperatur, Gewicht und Feuchtigkeit im Bienenstock verbessern die Vorhersage.

In einigen Forschungsprojekten4,5 wird aktuell Videotechnik eingesetzt. Auch hier sollen selbstlernende Systeme zum Erfolg führen. Mit Kameras über dem Stockeingang können beispielsweise Bienen gezählt und deren Verhalten beobachtet werden. Daraus wird versucht, Rückschlüsse auf mögliche Vorgänge im Bienenvolk und dessen Vitalität zu ziehen. Beispielsweise wird dabei die Anzahl der Drohnen oder die Art und Menge des Polleneintrags aufge­zeich­net und interpretiert. Aufgrund von Verhal­tens­änderungen der Bienen können Umwelteinflüsse oder der Einsatz von Pflan­zenschutzmitteln in der Umgebung erkannt werden.

Vollautomatisierte Bienenbeuten und Roboter

Welche Technik sich in der breiten Imkerschaft durchsetzen wird, entscheiden wahrscheinlich der Preis, der effektive Nutzen und die Nachfrage. Ein Produkt auf dem internationalen Markt ist beispielsweise das «BeeHome» der Firma Beewise (beewise.ag). Bislang fehlt eine neutrale wissenschaftliche Studie, die das tatsächliche Funktionieren belegt. Aktuell muss davon ausgegangen werden, dass das System noch nicht ausgereift ist. Das voll automatisierte und autonom funktionierende «Bienenhaus» ähnelt einem kleinen Container. Dieser ist mit einer Vielzahl der vorgängig beschriebenen Tools ausgestattet und wird im Ausland in ersten, auf Bestäubungsdienstleistung ausgerichteten Grossimkereien mit sehr langen Anfahrtswegen eingesetzt. Für die Schweiz mit vielen Kleinimkereien, vergleichsweise kleinen Kulturen und kurzen Distanzen erscheinen solche vollautomatischen Beuten wenig sinnvoll.

Noch weiter gehen Projekte, die zur Pflanzenbestäubung von Insekten inspirierte Roboter entwickeln. Sie sollen einspringen, falls die Anzahl der Insekten so stark sinkt, dass es für die Nahrungsmittelproduktion nicht mehr ausreicht. Aber es gibt bei der Entwicklung noch einige Hürden und wir hoffen, dass der Einsatz von «RoboBees»6 nie nötig sein wird.

Chancen und Risiken

Digitale Hilfsmittel bieten Chancen und Risiken. Sensoren und KI-gestützte Analysen ermöglichen eine immer präzisere Überwachung der Bienenstöcke. Waagen können bereits heute auf abgegangene Schwärme hinweisen und dadurch deren Verlust verhindern. Im Idealfall kann die eingesetzte Technik die Anzahl Eingriffe auf dem Bienenstand um zwei bis drei pro Jahr reduzieren und das Erfordernis von ausserordentlichen Interventionen aufzeigen. Die Bienenhaltung kann dadurch wirtschaftlicher werden und man kann einige unnötige Fahrten zum Bienenstand einsparen.

Gleichzeitig gibt es aber auch viele Risiken, denn das imkerliche Wissen geht verloren und es entsteht eine starke Abhängigkeit von den digitalen Tools. Ebenfalls unvermeidlich sind gewisse Fehlinterpretationen durch die Bienenhaltenden oder die künstliche Intelligenz. Die Technik kann versagen und eine falsche Sicherheit bieten. Zudem birgt die digitale Vernetzung immer auch das Risiko eines Datenverlusts. Auch Hackerangriffe können schwerwiegende Konsequenzen haben. Eine solche Attacke auf einen Melkroboter endete im Sommer 2024 für eine Kuh und ihr Kalb tödlich.7 Die Technologie kann ausserdem teuer und wartungsintensiv sein.

Eigene Haltung

Wie will ich imkern? Analog ohne Technik oder digital mit KI-Unterstützung? Ein Richtig oder Falsch gibt es nicht und hängt von der eigenen Situation ab. Kaum ein anderes Hobby vereint so viele Alters- und Berufsgruppen wie die Imkerei. Verschiedene Betriebsweisen, Beutesysteme und Standorte betonen die Vielfalt in der Bienenhaltung. Wichtig bleiben die eigenen Beobachtungen, eine laufende Weiterbildung, gesunder Menschenverstand und die Einstellung, mit bestem Wissen und Gewissen seine Bienen zu betreuen.

Fotos: apiservice Bienenstock der Zukunft? (Bild KI-generiert mit Adobe Firefly).
Fotos: apiservice Bienenstock der Zukunft? (Bild KI-generiert mit Adobe Firefly).

Literatur und Links

  1. Entwicklung einer innovativen Wägezelle für Bienenstöcke (https://ai4bee.de/).
  2. Giving Beekeeping Guidance by cOmputatiOnal-assisted Decision making (https://b-good-project.eu/).
  3. Hiverize (https://hiverize.org/).
  4. Künstliche Intelligenz im Bienenstock (https://digitalzentrum-hannover.de/praxisbeispiele/ki-im-bienenstock/).
  5. Taddigs-Hirsch, C. (2022) Bienen zählen mit KI – Wie hängen Populationsgrösse und Umwelteinflüsse zusammen? (https://hm.edu/aktuelles/news/news_detailseite_247751.de.html).
  6. Kainz, J. (2021) Roboter-Bienen: Kann Technik die Arbeit von Insekten ersetzen? National Geographic (https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2021/08/roboter-bienen-kann-technik-die-arbeit-von-insekten-ersetzen).
  7. Kriminelle hacken Schweizer Landwirt – der Cyberangriff endet tragisch (2024) Watson (https://www.watson.ch/digital/schweiz/139651957-kriminelle-hacken-melkroboter-der-cyberangriff-endet-tragisch).

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