Bräute wie Honigbrote, gebackene Bienenfüsse und Honig als Warzenmittel

01/24 | Wissenschaft und Praxis
This Fetzer, Redaktor Schweizerisches Idiotikon, (this.fetzer@idiotikon.ch)

Vom Heiligen Ambrosius bis zu Jeremias Gotthelf, von Davos bis nach Möhlin: Die Kulturgeschichte der Imkerei in der Schweiz birgt viele Schätze.

Keine Blüten – keine Bienen, keine Stiche, grosse Ruhe? Schon, aber der Fleiss der Bienen wirkt im Winter nach. Zum Beispiel im Schein von Wachskerzen. Wachs spielt schon in einem Kaufvertrag von 1275 zwischen Ruodolf von Rorschach und dem Kloster Brühl in St. Gallen eine Rolle: «Unde hant die swestran uzzer dem convent daz selbe eigen enphangen von ime umbe zwei pfunt wachses ce cinse jergelich», also: Für Grundstücke, die die Nonnen zur Nutzung übernehmen, zahlen sie einen jährlichen Zins in Form von zwei Pfund Wachs. Bienenwachs war offensichtlich eine teure Luxusware. Für den Hausgebrauch wurden darum noch lange Zeit Lichter aus pflanzlichen oder auch tierischen Fetten benutzt, etwa aus Unschlitt (Talg), einem Schlachtabfall (die besten Kerzen gab es nach Angaben des Schweizerischen Idiotikons übrigens aus Rinderfett, die schlechtesten aus Schaffett). Heute kostet ein Pfund Bienenwachs zwar kaum 20 Franken, aber dennoch werden die meisten Kerzen nicht aus Wachs, sondern aus günstigem Stearin oder Paraffin hergestellt.

Der Vertrag von 1275 zeigt es: Bienenprodukte sind seit Jahrhunderten ein bedeutender wirtschaftlicher und kultureller Faktor. Kein Wunder, ist die Imkerei Gegenstand rechts- und wirtschaftsgeschichtlicher, kulturwissenschaftlicher und medizinhistorischer Texte und selbst von Erzählungen. Im Jahr 1426 vereinbaren zum Beispiel die Städte Bremgarten, Baden und Mellingen ein einheitliches Gewicht für das Pfund, nehmen aber Zinsen in Form von Wachs und (importiertem und damit ebenso teurem) Pfeffer davon aus. Besonders häufig wird Wachs als Naturalzins wie in St. Gallen im Zusammenhang mit Klöstern erwähnt: Hier konnte man sich viele Kerzen leisten.

Wachs war aber auch für Wachstücher unerlässlich. So listet der Basler Stadthaushalt von 1416–1417 auf: «Ist geben umb zwilch, zscherter, garn, wachs zuo dem geczelt und an den lon 74 lb. minus 7 d.», das heisst: Für Zwilch (zwil(i)ch = zweifädiger Stoff), Schätter (Futterstoff), Garn und Wachs zur Herstellung von Zelten und an den Lohn wurden [dem Hersteller] 74 Pfund minus 7 Pfennig bezahlt. Solche Zelte aus Wachstuch wurden natürlich nicht zum Campieren, sondern zum Beispiel bei Feldzügen benutzt. Daran, dass Tuch einst mit echtem Wachs behandelt und imprägniert wurde, erinnert übrigens, dass insbesondere Schuhe auch heute noch gewichst werden.

Ausschnitte aus der Schweizerischen Bienen-Zeitung 1909
Oben: Schweizer Honig; Mitte: Schwarmfang und unten: Apistischer Monatsrapport (Apistische Beobachtungen) aus der Schweizerischen Bienen-Zeitung von 1909.

Mit Wachs gegen den Bartwuchs?

Aber auch in der vormodernen Medizin wurde Wachs eingesetzt. Ein Arzneibuch aus Saanen im Jahr 1766 empfiehlt: «Das kein Har wachße oder Bart: Ammiseneier, Flädermusblut, Magsammensaft, Bleiweis, wis Wachs, mach ein Salb darus», moderner: Damit weder Haar noch Bart wachsen, mach eine Salbe aus Ameiseneiern, Fledermausblut, Mohnsaft, Bleikarbonat, weissem Wachs. Und: «Wenn me Wachs esst, so cha mer ’s Wasser nomme lööse», dann kann man nicht mehr urinieren, glaubten im 19. Jahrhundert manche in Appenzell.

Honig als Schmiermittel in der Politik

Wer Bienenprodukt sagt, meint aber sicher vor allem Honig. Der ist so gut, dass er sinnbildlich für das Gute und Begehrte überhaupt steht. So ergeht es Jeremias Gotthelfs Figur Michel auf Brautschau: «Sobald Michel heimkam, wurde er nebenausgenommen, der Fund [nämlich eine potenzielle Braut] ihm mitgeteilt und so süss ausgestrichen wie Honig aufs Brot, dass Michel die Füsse unter dem Tische nicht mehr stillehalten konnte.» Das Sprichwort «Wo Bruut und Brüütgam ischt, Hung und Fiige, wo ’s Hochsig überen ischt, Chrüüz und Liide» meint daher: Vor der Hochzeit eitel Sonnenschein, nach der Hochzeit das böse Erwachen.

Unter Umständen kann man sich durch den Einsatz von Honig sogar Vorteile verschaffen: «Hung und Hamme und darum Amme!», spottet man in Davos über jene, die sich Wählerstimmen (etwa bei der Wahl zum Ammann) durch die Spende von Speisen und Wein erkaufen. Die Wählenden waren wohl lauter «Hunguelis», also gutmütige Menschen, die sich durch süsse Worte zu allem überreden lassen!

Honig zur Schmerzlinderung und als Backzutat

An diesen Redensarten sieht man nebenbei, dass der Honig im Dialekt eigentlich gar nicht so heisst, sondern dass das Wort fast überall zu «Hung», «Hong» verkürzt wurde. Erst in jüngerer Zeit wird es durch den schriftsprachlichen Honig abgelöst: Weil wir ihn heute meistens im Laden kaufen und er dort mit Honig beschriftet ist, nennen wir ihn zunehmend auch so.

Natürlich lässt sich auch Honig gegen allerlei Beschwerden einsetzen. Ein Arzneibuch von 1772 aus dem Simmental empfiehlt ihn als Aufstrich gegen Gebärmutterschmerzen, und noch im 20. Jahrhundert galt er verschiedenenorts als Mittel gegen Warzen und gegen Seitenstechen, wozu er entweder aufgestrichen oder während dem Beerdigungsläuten eingenommen werden sollte.

Mehr Freude macht Honig doch als Backzutat! Kein Lebkuchen kommt ohne ihn aus, und auch die traditionellen «Imbezeeche» aus Möhlin werden mit Honig gebacken. Ihren Namen tragen sie angeblich, weil sie an Bienenfüsschen erinnern. Aber wer weiss schon, wie die aussehen? Heute bietet keine Bäckerei sie mehr an, aber zum Glück sind sie in der Leipziger Illustrirten Zeitung vom 30. Mai 1858, abgebildet: Sie haben die Form eines Kreuzes mit ungleichen Winkeln. Andernorts im Fricktal wird das Gebäck daher auch nicht «Imbezeeche» genannt, sondern «Imber­zeeche». Dort denkt man offenbar nicht an «Imbe», sondern an «Imber», sprich Ingwer, und verwendet diesen auch als Backzutat. Nur in Möhlin wird oder wurde den Bienen im Namen und mit den Zutaten die Reverenz erwiesen.

Ehrfürchtiger Umgang mit dem Imb

Wer für das ganze Honigglück sorgt, ist nämlich die Biene, deren Name in der Deutschschweiz je nach Dialekt «Biiji, Beiji, Beieli, Biili, Imb, Iime, Imi», jünger auch «Biine, Bieni» ist (siehe dazu «Rettet die Immen!?» SBZ 01/2023). Diese Wörter bezeichnen sowohl das einzelne Tier als auch den Schwarm und sind allgemein gebräuchlich. Daneben gibt es eine eigentliche Imkersprache mit Fachausdrücken wie «stoosse» für schwärmen oder «räschpe» für einen Bienenschwarm einfangen, die jungen Bienen in einen «Biicher» [Bienenkorb] fassen. In einem Text aus dem 19. Jahrhundert ruft ein Bub ganz aufgeregt seinem Vater: «Ätti, chum hei, der Imb hed gstoosse, chum und tue ne au räschpe.»

Was mit einem Bienenvolk passieren soll, das nicht eingefangen wird, beschreibt eine Rechtssammlung von 1709: «Der Beinen [sic] halber ist Rechtens, daß solche, von dem sie außgeflogen, mögen verfolget werden: Ein unverfolgter Impen aber gehört in den Statt- und Land-Grichten der Statt Bern», also: Ein entflogener Schwarm, der nicht eingefangen wird, gehört der Stadt Bern.

Ein Bauer mag sein Vieh schlagen und plagen, aber die Bienen ehrt er. Während das übrige Vieh frisst, säuft und verreckt, so essen, speisen, trinken und sterben die Bienen wie Menschen. Man soll vor ihnen auch nicht fluchen: «Si chönned ’s nid liide, si chömmen und stächen eim.» Als man noch allgemein Hut trug, entblössten manche sogar ihr Haupt vor Bienenstöcken, und im Jura segnete der Pfarrer nicht nur die Häuser, sondern auch die Bienen und die Pferdeställe. Die hohe Wertschätzung des Imkers (und sicher auch der Imkerin) für die Tiere zeigt sich nicht zuletzt im Todesfall: Wenn man den Bienen den Tod des «Beievatters» nicht anzeigt, so fliegen sie nach volkstümlicher Vorstellung aus und suchen sich eine andere Heimat, oder die Bienenkönigin, das «Meisterbeiji», stirbt ebenfalls; also rüttelt man an den Stöcken und versetzt sie und teilt den Bienen so mit, dass der Imker gestorben ist.

Wie ernst es einem Imker mit seinen Bienen sein kann, veranschaulicht eine Sage aus Bern: Einem harten und geizigen Landvogt entflog einmal ein Bienenvolk. Zeitgleich schwärmten auch die Bienen eines Bauern. Der Vogt befahl dem Bauern, seine wieder eingefangenen Bienen ins Schloss zu bringen, und behauptete, es seien seine. Der Bauer entgegnete: «Der Imb isch eue, gnädige Her, aber der Chorb isch mine!», leerte den Korb aus und überliess den Vogt den wütenden Tieren.

Ein Bienenstand in Lenz (GR) aufgenommen im Jahr 1920.
Ein Bienenstand in Lenz (GR) aufgenommen im Jahr 1920 (Foto: P. Scheuermeier, Fototeca dal DRG).

Bienen im Christentum

Verwundert es bei dem grossen menschlichen Wohlwollen, dass Bienen sogar kirchlichen Schutz geniessen? Kaum. Gleich zwei katholische Schutzpatrone kümmern sich um sie. Bernhard von Clairvaux, der um das Jahr 1110 lebte, war für seine mitreissenden Predigten bekannt, die ihm den Titel «doctor mellifluus» (honigfliessender Lehrer) einbrachten. Ein Zeichen dieser Beredsamkeit ist der Bienenkorb als Attribut des Heiligen.

Noch enger mit den Bienen verknüpft ist Ambrosius von Mailand, der 397 starb. Der Legende nach kam er schon als Kleinkind in engen Kontakt mit Bienen: Sie ernährten ihn, in der Wiege liegend, mit Honig, den sie direkt in seinen Mund tröpfeln liessen, ohne ihn zu stechen. Der Bienenkorb, mit dem auch Ambrosius dargestellt wird, ist doppelt legitimiert; er symbolisiert nicht nur diese Legende, sondern auch die emsige Gelehrsamkeit des Heiligen («wie Bienen»). Ambrosius von Mailand ist Schutzheiliger der Bienen, aber auch derjenigen, die Bienen züchten und Wachs ziehen oder Lebkuchen backen – dass sein Gedenktag auf den 7. Dezember fällt, passt gut: Mitten im Winter haben Kerzen aus Bienenwachs und Honiggebäcke schliesslich Hochkonjunktur.

Grabfeld-Künstler Johann Peter Herrlein malte in der fränkischen Wallfahrtskirche Findelberg bei Saal / Saale Ambrosius, von Bienen umschwärmt, an die Decke.
Grabfeld-Künstler Johann Peter Herrlein malte in der fränkischen Wallfahrtskirche Findelberg bei Saal / Saale Ambrosius, von Bienen umschwärmt, an die Decke.

Bienenschwarm im Winter

Aber noch etwas hält den Gedanken an den Fleiss der Bienen mitten im Winter wach. Im bekannten Kinderlied heisst es: «Es schneielet, es beielet, es geit e chüele Wind, u d Meitschi lege d Händsche aa u d Buebe louffe gschwind.» Das bedeutet, dass es leicht und in feinen Flocken schneit, wobei die vom Wind verwehten Schneeflocken mit eifrig schwärmenden Bienen verglichen werden. Selbst wenn es also Stein und Bein gefroren ist und nirgends eine Biene zu sehen ist: Vergessen geht ihr treuer Dienst ganz sicher auch dann nicht.

Literatur

  1. Geiger, P., Weiss, R.; Escher, W.; Liebl, E.; Niederer, A. (1979) Atlas der schweizerischen Volkskunde Kommentar. Teil II. Basel: 983, 1000 und 1008 (Honig als Heilmittel).
  2. Pfr. Abr. Fueter (1766) Arzneibuch aus Saanen. Handschrift DQ 149 im Staatsarchiv Bern.
  3. Gotthelf, J. (1928) Michels Brautschau. in: Hunziker, Rudolf/Blösch, Hans (Hg.): Jeremias Gotthelf. Sämtliche Werke in 24 Bänden. 20. Band. Erlenbach: 182.
  4. Harms, B. (1910) Der Stadthaushalt Basels im ausgehenden Mittelalter. 1. Abteilung: Die Jahresrechnungen 1360–1535. Band 2: Die Ausgaben 1360–1490. Tübingen: 133.
  5. Illustrirte Zeitung. Leipzig 30. Mai 1858, Nummer 1300, 383 und 389 (mit Abbildung) (https://books.google.ch/books?id=X65LAAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false)
  6. Merz, W. (1909) Die Stadtrechte von Bremgarten und Lenzburg. A[a]rau: 63.
  7. Mutach, S. (1709) Substantzlicher Underricht von Gerichts- und Rechts-Sachen. Bern: 41.
  8. Wartmann, H (1882) Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen. St. Gallen: Teil 3, 199.
  9. Wimmer, O.; Melzer, H. (1982) Lexikon der Namen und Heiligen. Innsbruck: 129 (Ambrosius von Mailand), 166 (Bernhard von Clairvaux).
  10. Wolf, F. (verschollenes Manuskript aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts): Aufgezeichnete Wirtshausgespräche.
  11. Schweizerisches Archiv für Volkskunde (1913), 226 (Segnung der Bienenstöcke).(1914) 191 (Sage vom Landvogt und vom Bauern).
  12. Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Band 1, 233 (Imb), 348 (Unschlitt);Band 2, 1367 (Honig);Band 4, 909 (Biene), 911 (Meisterbiene, beielen);Band 6, 1488 (respen);Band 11, 1615 (stossen);Band 15, 359 (wichsen):Band 17, 803 (Imberzehe)

Aufruf: Imkerpoesie und Sprüche an Bienenhäusern

Ein Teil der imkerlichen Kulturgeschichte finden wir in den älteren Bienenhäusern. Vor allem die Sprüche und Gedichte an den Fassaden sind wertvolle Zeugen aus der Vergangenheit.Stephan Egloff vom Imkerverein Arlesheim möchte dieses Textmaterial nun Sammeln und katalogisieren. Gerne stellen wir dann die Resultate dieser Sammlung in einer zukünftigen Ausgabe der Bienen-Zeitung vor.Damit die Sammlung möglichst vielfältig wird, sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Falls Ihr Bienenhaus mit einem Spruch beschmückt ist, können Sie diesen fotografieren und mit Ihrem Namen und Ihrer Adresse an poesie@bienenarlesheim.ch senden. Folgende Angaben sind wichtig: Postleitzahl und Ort (beziehungsweise Flurname, falls möglich auch Koordinaten), Jahrgang des Bienenhauses, beziehungsweise des Spruches (falls vorhanden).Vielleicht sind Sie als Bieneninspektor/-in oder Betriebsprüfer/-in regelmässig an verschiedenen Bienenständen zu Besuch. Allenfalls können Sie bei interessanten Funden – nach Absprache mit dem Besitzer – ebenfalls ein Bild machen und an Stephan Egloff zusenden. Die Angaben werden vertraulich behandelt und anonymisiert.

Wir freuen uns auf zahlreiche Einsendungen!

Stephan Egloff und Sarah Grossenbacher

Spruch an einem Bienenhaus: «Der Biene Fleiss und Einigkeit sei uns ein Vorbild allezeit».
Spruch an einem Bienenhaus: «Der Biene Fleiss und Einigkeit sei uns ein Vorbild allezeit».

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