Die Anthroposophin Maria Thun und ihr Konstellationskalender

07/23 | Wissenschaft und Praxis
Eva Sprecher, Breitenbach (eva.sprecher@bienenschweiz.ch)

Seit unzähligen Jahren erscheint in der Schweizerischen Bienen-Zeitung Monat für Monat der Konstellationskalender von Maria Thun in vereinfachter Form. Viele Leserinnen und Leser schätzen ihn und konsultieren ihn regelmässig für die Bienenpflege. In diesem Beitrag möchten wir Maria Thun und ihren Kalender etwas näher betrachten.

Es ist die Kraft des Mondes, die das Wachstum von Pflanzen, aber auch Tiere und Menschen beeinflussen soll. Ob der Mond aber tatsächlich Auswirkungen auf das Gärtnern ausübt, darüber scheiden sich die Geister. Manche Leute sind fest davon überzeugt, während andere kritisieren, dass das vielmehr mit Einbildung zu tun hat. Was also hat es mit dem Konstellationskalender auf sich, ist er ein hilfreicher Leitfaden oder nur Humbug?

Manche Kritiker finden, dass es für eine wissenschaftliche Rechtfertigung der Ergebnisse an Blindversuchen fehle. Das sind Experimente von unabhängiger Seite, in denen die Teilnehmer nicht um die jeweiligen Forschungsziele wissen. Zudem bestehe die Gefahr, die Mond- und Planetenkonstellationen stärker zu berücksichtigen als es sinnvoll ist, indem man beispielsweise das passende Wetter vernachlässigt.

Die Gezeiten als untrügliches Zeichen für die Kraft des Mondes

Dass der Mond das Leben und manche Prozesse auf der Erde vielfältig beeinflusst, kann sicher nicht negiert werden. Die gewaltige Anziehungskraft des Erdtrabanten bringt das Meer in Bewegung. Bei Ebbe werden die Wassermassen auf das offene Meer und bei Flut an die Küsten bewegt. Es ist eine Kraft, die wir meist nicht wahrnehmen können, es sei denn, wir befinden uns gerade in einer Gezeitenzone. Dort ist sie eindrücklich sichtbar. Der Mond ist mehrere Hunderttausend Kilometer von der Erde entfernt, trotzdem sind seine Gravitationskräfte so stark, dass er das Wasser auf der Erde anzieht. Auf der mondzugewandten Seite der Erde ist die Gravitationskraft grösser als die Fliehkraft (= Zentrifugalkraft) und das Wasser wird Richtung Mond gezogen. Auf der mondabgewandten Seite ist die Gravitationskraft des Mondes kleiner als die Fliehkraft und die Wassermassen verschieben sich in die entgegengesetzte Richtung.

Ausserdem hebt und senkt sich die Erdoberfläche im Rhythmus des zu- und abnehmenden Mondes. Auch Baumstämme werden messbar dünner und dicker und biologische Rhythmen synchronisieren sich mit der Bewegung des Mondes. Insekten benötigen das Mondlicht als Navigationshilfe und viele Tiere nutzen den Mond als Zeitmesser. Es ist darum naheliegend, dass die Kraft des Mondes auf Organismen einwirken kann.

Der Konstellationskalender von Maria Thun, Aussaattage 2023, gibt Empfehlungen über günstige Tage für das Arbeiten mit Pflanzen und Bienen (Foto: Thun Verlag).
Scan: Franz-Xaver Dilliler
Im Konstellationskalender wird für jeden Tag detailliert über das jeweilige Sternbild, das Element und das Fruchtorgan informiert sowie eine Zusammenfassung der wichtigsten Monatsgegebenheiten präsentiert (Scan: Franz-Xaver Dillier).

Mond und Tierkreiszeichen

Beim Gärtnern nach dem Mond und somit nach der Natur wird davon ausgegangen, dass der Mond die Kräfte des Sternbilds, in dem er gerade steht, auf die Erde lenkt. Dabei wird die Kraftübertragung über die vier Elemente Feuer (Wärme), Erde, Luft (Licht) und Wasser gesteuert. Der Mondkalender ist auf den Tierkreis abgestimmt und die Tierkreiszeichen sind den vier verschiedenen Elementen zugeordnet. Der Mond durchläuft jedes Element dreimal pro Monat. Jeweils drei Sternzeichen bilden eine Gruppe und werden einem Element zugeordnet. Man nennt sie Trigone:

  • Element Feuer: Widder, Löwe, Schütze
  • Element Erde: Stier, Jungfrau, Steinbock
  • Element Luft: Zwilling, Waage, Wassermann
  • Element Wasser: Krebs, Skorpion, Fische

Jedes der vier Trigone steht für eine bestimmte Pflanzengruppe. Maria Thun stellte in ihren Versuchen fest, dass besonders die Mondstellung in den einzelnen Sternbildern auf das Pflanzenwachstum wirkt. Sie orientierte sich an der indischen Astrologie, am sog. siderischen Tierkreis. Der siderische Tierkreis richtet sich nach der Lage des Sonnensystems zu unserer Galaxie (der Milchstrasse). Die besten Zeitpunkte für Aussaat, Pflege oder Ernte sind dann, wenn der Mond durch eines der Tierkreiszeichen wandert, dem die Pflanze zugeordnet ist.

Fruchttage, Wurzeltage, Blütentage oder Blatttage

Das Frucht-Trigon umfasst das Element Feuer (Wärme) und übt einen Einfluss auf Fruchtpflanzen wie Obstbäume, Beerensträucher oder verschiedene Gemüse wie Tomaten, Auberginen, Bohnen und Kürbis.

Das Wurzel-Trigon gehört zum Element Erde und beeinflusst Gemüsearten mit unterirdischen oder bodennahen Speicherorganen wie zum Beispiel Kartoffeln, Möhren, Kohlrabi, Zwiebeln, Radieschen, Sellerie.

Das Blüten-Trigon mit dem Element Luft (Licht) hat einen Einfluss auf alles, was blüht, zum Beispiel Zwiebelblumen, Blütensträucher und Stauden, aber auch Gemüsearten wie Blumenkohl oder Brokkoli.

Das Blatt-Trigon mit dem Element Wasser beeinflusst Blattpflanzen wie Kräuter und Blattgemüse, zum Beispiel Salbei, Minze, Kohlarten, Salate, Spinat, aber auch Heckenpflanzen und Stauden mit dekorativem Blattwerk. Steht der Mond bei Aussaat, Pflanzung und Pflege in einem dieser Wasserzeichen, fördert er Gesundheit, Geschmack und Wachstum der Blattpflanzen.

Maria Thun stellte unter anderem fest, dass die Blattmenge von Salat deutlich niedriger ausfällt, wenn der Salat im Wassermann (Blüten) oder Widder (Frucht) ausgesät wurde.

Der Konstellationskalender

Seit 1963, also seit genau 60 Jahren, erscheint der Aussaatkalender von Maria Thun jedes Jahr. Wie der Name besagt, geht es darin vor allem um Pflanzen und um das Gärtnern, aber auch die Bienenpflege findet Erwähnung. Fruchttage, Wurzeltage, Blütentage oder Blatttage können abgelesen werden und man kann nachschauen, bei welchem Mondstand welches Gemüse oder welche Blumen im Garten ausgesät, gepflanzt, geschnitten oder geerntet werden sollen.

Neben dem Tierkreiszeichen ist auch die Position des Mondes am Himmel ablesbar. Der Mond steht manchmal höher, manchmal tiefer am Horizont. Dieser Zyklus wird als siderischer Mondzyklus bezeichnet und ist nicht mit der Mondphase zu verwechseln. Er dauert 27,3 Tage.

Neben dem Mondzyklus sind auch die einzelnen Mondphasen wichtig. Während der Mond innerhalb eines Monats vom tiefsten bis zum höchsten Punkt und wieder zurück wandert, verändert sich der Stand des Mondes zur Sonne. Der Mond ändert sich einmal im Monat vom Neumond zum Vollmond und wieder vom Vollmond zum Neumond. Dieser Vorgang dauert 29,5 Tage.

Beim Aufstieg des Mondes in Richtung Zwilling durchwandert er die Tierkreiszeichen Zwilling, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage und Skorpion. Man nimmt an, dass der Mond dabei den Pflanzensaft aus den unteren Teilen der Pflanze nach oben zieht, darum eignet sich diese Zeit gut für die Ernte oder das Konservieren von Obst und Gemüse.

Wenn der Mond absteigt und die Zeichen Schütze, Steinbock, Wassermann, Fische, Widder und Stier durchwandert, ziehen sich die Säfte wieder in den unteren Teil der Pflanze, die Wurzeln, zurück. Diese Zeit ist günstig für die Ernte von Wurzelpflanzen oder das Zurückschneiden von Stauden und Hecken.

Foto: Thun-Verlag
Das Buch von Maria Thuns Sohn Mathias Thun richtet sich an Imker/-innen, die sich über die Haltung und Pflege von Bienen unter Berücksichtigung kosmischer Rhythmen weiterbilden möchten (Foto: Thun-Verlag).

Wie ist der Konstellationskalender zu lesen?

Beobachtungen von Maria Thuns Sohn Matthias Thun zeigten, dass das Bienenleben ebenfalls kosmischen Rhythmen unterliegt und dass die Bienen ihre Tätigkeiten in einem gewissen Zusammenhang mit dem Mondgang verrichten.

In der Schweizerischen Bienen-Zeitung ist der Konstellationskalender vereinfacht dargestellt. Konstellationen, die teils für das Pflanzenwachstum von Bedeutung sind, werden hier nicht gezeigt. Ebenso sind Naturereignisse und Wettererwartungen nicht erwähnt.

Neben dem Datum und Wochentag ist das Sternbild (zum Beispiel Fische, Widder, Stier etc.) genannt, vor welches der Mond an diesem Tag geht. Für Imkerinnen und Imker ist interessant, welches Element (Licht, Wasser, Wärme, Erde) vom Mond vermittelt wird. Diese Angaben sind in der Spalte am rechten Rand ersichtlich. Und gleich rechts davon steht das Fruchtorgan (Blüte, Blatt, Frucht, Wurzel), das durch die Aussaat und Pflegearbeiten an diesem Tag unterstützt wird.

Die rot hinterlegten Wärme-Frucht-Tage eignen sich für eine gute Nektartracht. Die Wasser-Blatt-Tage sind blau hinterlegt und sind für die Honigpflege günstig. Die Licht-Blüten-Tage sind gelb hinterlegt und für den Polleneintrag gut. Die braun hinterlegten Erde-Wurzel-Tage unterstützen den Bautrieb und den Wabenbau.

Günstige Tage für die Bienenpflege

Es wird empfohlen, Arbeiten, die den Völkeraufbau, die Volksvermehrung und die Bruttätigkeit fördern sollen, an Licht-Blüten-Tagen (gelb) vorzunehmen. An diesen Tagen zieht der Mond vor den Sternbildregionen Zwilling, Waage und Wassermann vorbei. Die Völker sind dann ruhig und wabenstet. An Wasser-Blatt-Tagen (blau), wenn der Mond vor den Sternbildern Fische, Krebs und Skorpion vorbeizieht, zeigte sich immer wieder, dass die Bienen nicht gestört sein wollen. Sie zeigen dann erhöhte Stechlust und sind nervös, wenn man sie aus dem Volk entnimmt. Die Völker, die man an Wärme-Frucht-Tagen (rot) bearbeitet, wenn der Mond vor den Sternbildern Widder, Löwe oder Schütze steht, neigen dazu, verstärkt Nektar zu sammeln. Sie erbringen in der ersten Jahreshälfte sehr gute Honigerträge, vernachlässigen dann aber meist das Brutgeschäft, weil sie weniger Pollen eintragen. Bei Volkskontrollen zeigen sie sich sehr ruhig und angenehm. Bearbeitet man die Völker an Erd-Wurzel-Tagen (braun), wenn der Mond an den Sternbildern Stier, Jungfrau und Steinbock vorbeigeht, wird der Bautrieb unterstützt. Dies zeigt sich besonders stark, wenn man zum Beispiel an Wärme-Frucht-Tagen Kunstschwärme bildet und diese an Erd-Wurzel-Tagen einschlägt und bauen lässt. Die Honigerträge liegen dann eher unter dem Durchschnitt, die Völker sind auch nicht ganz so sanftmütig wie jene, die an Licht- oder Wärme-Tagen bearbeitet wurden.

Wer war Dr. h. c. Maria Thun?

Die deutsche Anthroposophin Maria Thun (1922–2012) war eine Pionierin des Pflanzenanbaus im Einklang mit kosmischen Kräften. Sie entdeckte Wachstumsunterschiede bei Radieschen, die weder auf Vorfrucht und Düngung, noch auf das Saatgut zurückgeführt werden konnten. Das liess sie vermuten, dass andere Kräfte mitgewirkt hatten. Auch bei Wetterbeobachtungen sah sie einen Zusammenhang mit Sternkonstellationen. Durch diese Beobachtungen konnte sie günstige Zeiten für Aussaaten, Hackarbeiten und die Ernte von Pflanzen sowie Empfehlungen für die Verarbeitung, Konservierung und Lagerung von Früchten geben.

Sie wuchs auf einem Bauernhof in der Nähe von Marburg (Deutschland) auf und heiratete den Maler und Anthroposophen Walter Thun, Kunstlehrer an einer Waldorfschule. Durch ihn kam sie bereits Anfang der Vierzigerjahre mit der biologisch-dynamischen Bewegung Thüringens in Kontakt. Als hingebungsvolle Gärtnerin wurde sie durch Rudolf Steiners Anthroposophie angeregt, ihre Pflanzen genauer zu beobachten. Unter der Nutzung eines Saatkalenders, der Mondphasen berücksichtigte, beobachtete sie bei neunjährigen Versuchen ab 1952 einen Zusammenhang zwischen dem Stand des Mondes im Tierkreis und dem Wachstum von Radieschen, abhängig vom Aussaatzeitpunkt. Hieraus leitete sie vier verschiedene Wachstumstypen bei Pflanzen entsprechend den Elementen ab. Nebst ihren Versuchen und der Herausgabe ihres Kalenders und der Bücher gab sie während mehr als 60 Jahren unermüdlich Kurse, Vorträge und Ratschläge. Im Jahr 2010, zwei Jahre vor ihrem Tod, wurde sie von einer indischen Frauenuniversität mit dem Ehrendoktor ausgezeichnet.

Der diesjährige Kalender widmet sich anlässlich des 100. Geburtstages von Maria Thun im 2022 ihrem Leben und ihrer Arbeit.

Marias Sohn, der Imkermeister Matthias Thun (*1948), leitet heute zusammen mit seiner Frau Anna den Verlag, in dem die Schriften der Thuns erscheinen. Er verfasste das Buch «Die Biene – Haltung und Pflege». Dieses handelt vom Imkern nach kosmischen Rhythmen und nach Rudolf Steiner und liegt heute in der sechsten Auflage vor.

Foto: Thun-Verlag
Maria Thun bei der Gartenarbeit. Das Bild ist nicht datiert (Foto: Thun-Verlag).

Literatur und Webseiten

  1. Thun, Matthias K. 2022. Aussaattage 2023 Maria Thun. Aus der Konstellationsforschung. Kalender, Verlag Aussaattage M. Thun.
  2. Thun, Matthias K. (2016) Die Biene – Haltung und Pflege. Unter Berücksichtigung kosmischer Rhythmen. 6. Auflage, Verlag Aussaattage.
  3. https://thun-verlag.com/
  4. https://www.ndr.de/ratgeber/Ebbe-und-Flut-So-entstehen-die-Gezeiten,gezeiten108.html
  5. https://www.astro.com/astrowiki/de/Maria_Thun
  6. https://www.haus.de/garten/mondkalender-garten-24026
  7. https://www.astrologie-zentrum.net/index.php/de/8-siderischer-tierkreis/6-siderischer-und-tropischer-tierkreis
  8. https://www.wurzelwerk.net/gemuesegarten/pflanzplan-erstellen/mondkalender-garten-maria-thun/

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