Honigbienen orientieren sich über ein kartenähnliches Landschaftsgedächtnis, das auch beim Schwänzeltanz eine Rolle spielt. Ihre Tanzkommunikation ist also viel reicher als bisher angenommen. Das zeigen Ergebnisse des renommierten Neurobiologen und Bienenforschers Randolf Menzel.
Agnes Przewozny, Berlin (Deutschland) (gruenes.lektorat@posteo.de)
Sinneseindrücke, Empfindungen, unsere innere Uhr, abstrakte Vorstellungen und Kommunikation ermöglichen uns die Orientierung in Raum und Zeit. Sie setzen sich in unserem Geist zu einer räumlichen Vorstellung der Welt zusammen – einer kognitiven Karte, mit der wir uns zurechtfinden. Welche Vorstellung von der Welt haben eigentlich Bienen? Navigieren sie auch nach so einer inneren Landkarte?
Karl von Frisch gelang es 1923, den Bienentanz zu entschlüsseln: Die Tänzerin gibt symbolisch einen Flugvektor, also Entfernung und Richtung, an, der zur Nahrungsquelle führt. Darüber, ob diese Interpretation des Bienentanzes die Tanzkommunikation hinreichend erklärt, gab es über die letzten 100 Jahre viele wissenschaftliche Kontroversen. Randolf Menzel hegte seit Langem die Vermutung, dass Honigbienen – ähnlich wie Säugetiere – nach kognitiven Karten navigieren, in die sie die im Tanz dargestellten Flugvektoren einordnen.
Randolf Menzel, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Neurobiologie und Bienenforschung, ist seit inzwischen fast 60 Jahren dem «Geist» der Biene auf der Spur. Im Frühling 2023 erschienen drei Publikationen, in denen er und seine Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse zur Navigation und Tanzkommunikation der Honigbienen darlegen und anhand von Versuchsergebnissen die Theorie von der kognitiven Karte bestätigen. Dazu musste man aber wissen, auf welchen Wegen die Bienen zu den Blüten fliegen. Möglich machte das die Nutzung des harmonischen Radars. Dieses Radargerät hat zwei Schüsseln, eine strahlt Signale aus und die andere empfängt die Signale eines Transponders, also eines kleinen Senders, der einer Sammelbiene auf den Rücken geklebt wurde. So erhält man alle drei Sekunden ein Positionssignal der Biene und kann nun ihre Flugspuren im Umkreis von bis zu 1,5 Kilometern nachzeichnen.