In einer fünfteiligen Serie gibt uns Paul Siefert mit seinen Videoaufnahmen einmalige Einblicke ins Bienenvolk und zeigt uns so verschiedene Verhaltensweisen der Bienen, die uns sonst oftmals verborgen bleiben. Im ersten Teil nimmt er den Wabenbau, die Modellierung und das Verdeckeln der Zellen unter die Lupe.
Viele Menschen nehmen ein Bienenvolk auf den ersten Blick als chaotisch und zuweilen hektisch wahr. Aber das ist natürlich nicht so. Jede Biene im Volk trägt mit ihrem fein abgestimmten Verhalten zum Überleben und zur Entwicklung des Volkes bei. Bis heute zerbrechen sich Wissenschaftler/-innen den Kopf, um herauszufinden, wie Bienen dieses Kunststück vollbringen. Sie untersuchen die Signale im Bienenstock und die Wahrnehmungen, auf welche die Bienen reagieren. Hierbei wird klar, dass Bienen kognitive Leistungen zeigen, die über das instinktive Verhalten hinausgehen, indem sie zum Beispiel Handlungsalternativen abwägen.
Zu den verschiedenen Verhaltensweisen eines Bienenvolkes gehören Nestbau, Nahrungssuche, Speicherung und Reifung von Pollen und Nektar, Brutpflege, Temperaturregulierung, Hygiene und Abwehr. Während einige davon ausserhalb der Kolonie relativ leicht beobachtet werden können, sind sie innerhalb der Kolonie, insbesondere innerhalb der Zellen, schwierig zu beobachten. Damit Imker/-innen und Bieneninteressierte besser nachvollziehen können, was im Volk vor sich geht, haben wir am Institut für Bienenkunde in Oberursel ein Verfahren entwickelt, mit welchem man von längsgeschnittenen Zellen Videoaufnahmen machen kann.
Inzwischen haben wir hochaufgelöste Aufzeichnungen vieler Verhaltensmuster für Lehrzwecke der Öffentlichkeit online zur Verfügung gestellt. Dazu gehören zum Beispiel die Verwendung von Wachsschuppen und vorhandenem Nestmaterial zur Modifizierung von Waben, die intrazelluläre Speicherung von Pollen und Nektar, wie Brutpflege und Thermoregulation ablaufen und verschiedene Hygienegewohnheiten wie Kannibalismus, Körperpflege und Oberflächenreinigung.
In fünf aufeinanderfolgenden Teilen dieser Serie der Schweizerischen Bienen-Zeitung erläutern wir 1) Nestausbau und Modellierung, 2) Ernährung, 3) Thermoregulation und Brutpflege, 4) Hygiene & Parasiten, und 5) die Entwicklung von Arbeiterinnen. Durch Integration der Videos in diese Artikel ermutigen wir Lehrer/-innen, unser Material zu verwenden, um das, was in voll funktionsfähigen sozialen Insektenkolonien passiert, in den Klassenraum und nach Hause zu bringen, das ökologische Bewusstsein zu schärfen und auf den Rückgang der Insektenvielfalt aufmerksam zu machen.
Wabenausbau, Modellierung und das Verdeckeln der Zellen
Das beim Bau des Bienenstocks verwendete Wachs liegt in zwei Formen zwischen den Mundwerkzeugen (Mandibeln) von Arbeiterbienen vor: Die erste Form ist undurchsichtig, fadenförmig und wird zum Modellieren der vorhandenen Wachsformation benutzt, die zweite Form ist eine transparente Wachsschuppe, welche den Bau erweitert.
Das Modellieren von vorhandenen Strukturen
Der Wachsfaden wird meist bei dringlichen Angelegenheiten beobachtet, zum Beispiel beim Reparieren oder schnellen Befestigen von Waben. Hierfür formt die Arbeiterin vorhandenes Wachs an einer Stelle in der Kolonie in eine längliche Form. Mit geschickten Bewegungen ihrer Mandibeln wird das Wachs beim Abzupfen flach gedrückt, sodass es nicht den Kontakt zum bereits bestehenden Ende verliert. Zum Vergleich kann man sich vorstellen, wie man mit Daumen und Zeigfinder aus einer recht glatten Knetfläche einen flachen Faden abzupft. Hat der Faden bei den Bienen ein paar Millimeter erreicht, wird er mit den Vorderbeinen und Mundwerkzeugen zusammengefaltet und dann zur Stelle transportiert, wo er benötigt wird. Der Anbau erfolgt dann in umgekehrter Weise. Den Link zum Video finden sie hier.
Wie Bienen neues Wachs produzieren
Da das Modellieren der Kolonie auch von Arbeiterinnen mit rudimentären Wachsdrüsen durchgeführt wird, kann es die Arbeitsteilung in der Kolonie schnell verändern. Das hat den Vorteil, dass auch Sammlerinnen oder frisch geschlüpfte Bienen beim Umbau der Waben helfen können. Bei Winterbienen werden die Wachsdrüsen komplett zurückgebildet. Wachsschuppen werden von vier Paar Schichten Wachsdrüsenzellen bei Honigbienen gebildet. Sie befinden sich in den Segmentzwischenräumen an der Bauchseite der Segmente vier bis sieben direkt unter den Segmentabdeckungen. Um eine Wachsschuppe aus einem Segmentzwischenraum hervor zu holen, benutzt die Arbeiterin die Bürsten des Hinterbeins und transportiert sie dann mithilfe ihrer Vorderbeine zwischen ihre Mundwerkzeuge. Die Entnahme der Schuppe aus der Tasche dauert etwa fünf Sekunden. Den Link zum Video finden Sie hier.
Die Verdeckelung der Zelle
Während des Baus bewegen sich die Arbeiterinnen oft hin und her oder drehen sich vertikal innerhalb der Zelle. Zusätzlich können häufige Bewegungen der Antennen und des Kopfes beobachtet werden. Um eine Zelle zu verdeckeln, wird im Laufe der Entwicklung der Larve der Rand der Zelle ausgebaut, um das benötigte Wachs bereits vor Ort zu haben. Während der Verdeckelung führt die Arbeitsbiene häufig ihre Antennen in die noch offenstehende Pore der Zelle ein. Ausserdem legt sie ihre Vorderfüsse auf den verlängerten Rand und zieht möglicherweise daran, wodurch eine Kuppel entsteht und der Deckel nicht eingebeult wird. Die Verdeckelung wird sorgfältig an das Entwicklungsstadium der Larve angepasst und die Kokonbildung der Larve beginnt bereits, bevor die Zelle vollständig geschlossen wurde. Denk Link zum Video finden Sie hier.
Fortsetzung folgt
In der nächsten Ausgabe nehmen wir die Ernährung der Bienen unter die Lupe. Falls Sie es bis dahin nicht abwarten können, finden Sie unten den Link zur Publikation in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift PLoS One in englischer Sprache.
Literatur und Link
- Siefert, P.; Buling, N.; Grünewald, B. (2021) Honey bee behaviours within the hive: Insights from long-term video analysis. PLoS One (https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0247323).