Start ins neue Imkerjahr

01/24 | Arbeitskalender
Werner Hengartner, Ronwil, Waldkirch, (werner.hengartner55@gmail.com)

Ich freue mich sehr, Sie im Arbeitskalender durch das neue Jahr begleiten zu dürfen. Im Januar ist es noch ruhig am Bienenstand. Mit regelmässigen Kontrollgängen stelle ich sicher, dass es meinen Bienen gut geht. Die längste Nacht ist bereits wieder Vergangenheit und der Bien startet – wenn auch noch zaghaft – mit der Aufzucht einer neuen Generation.

Als die Anfrage an mich gestellt wurde, ob ich den Arbeitskalender 2024 mit Inhalt füllen möchte, war ich doch sehr überrascht. Ja, ich dachte mir, da gibt es sicherlich viele unter Ihnen, die mehr Imkerpraxis haben als ich. Wenn ich in den Bienen-Zeitungen der letzten Jahre den Arbeitskalender durchlese, dann sind die Fussstapfen, in die ich hineintreten soll, recht gross. Die Vorgaben fordern mich. Mit grossem Respekt vor dieser Herausforderung habe ich dann zugesagt. Die Neugier auf dieses Projekt und die Möglichkeit, bei dieser Aufgabe auch persönlich wieder etwas zu lernen, motiviert mich, Sie mit dem Arbeitskalender ein Jahr lang zu begleiten. Dabei ist es mein Ziel, Sie in dieser, in jeglicher Hinsicht spannenden Zeit zu unterstützen und aus der Praxis für die Praxis einige wichtige Inputs zu geben, damit verschiedene Aspekte in der Bienenhaltung, zum Nutzen für Ihre Bienen und deren Gesundheit, Sie zum Nachdenken anregen mögen.

Mein Bienenhaus

Die Parzelle 637 in Ronwil (608 m ü. M.), Gemeinde Waldkirch (SG), auf der mein Bienenhaus steht, gehört zu unserer Liegenschaft. Mein Bienenstand, ein ausrangierter Baustellenwagen, steht etwa 300 m vom Haus entfernt und bietet Platz für zehn Völker. Er ist nach Südosten ausgerichtet. So wird er bereits am Vormittag besonnt. Während der grössten Tageshitze scheint die Sonne nicht mehr direkt an die Fluglöcher.

Waldkirch ist eingebettet zwischen dem Bodensee und dem Alpstein. Die landwirtschaftliche Nutzung ist vorwiegend der Futterbau als standortgerechte Produktionsweise. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge liegt bei 1200–1500 mm im Jahr. Die schweren, ton-lehmhaltigen Böden sind damit für den Ackerbau nur bedingt geeignet. Das Trachtangebot ist im Frühjahr durch Weiden und Hasel bestimmt. Der Löwenzahn und die Blüte der Obstbäume bringen einen ersten Höhepunkt. Raps, Getreide und Silomais wird nur vereinzelt angebaut. Wasser ist in unmittelbarer Nähe vorhanden, fliesst doch ein Bach hinter dem Bienenhaus durch.

Foto: Werner Hengartner
Mein Bienenstand steht unweit von meinem Haus entfernt. Aktuell halte ich dort fünf Völker in Schweizerkästen sowie drei weitere in CH-Magazinen (Foto: Werner Hengartner).

Fluglochkontrolle im Winter

Auch im Winter sieht man mich ab und zu auf meinem Bienenstand. In der Winterzeit sollten die Völker jedoch nicht zu viel gestört werden. Rückschlüsse auf den Zustand der Bienenvölker kann mit der Fluglochbeobachtung erfolgen. Tote Bienen können das Flugloch verstopfen und sind dann zu entfernen. Das Flugloch sollte immer offenbleiben, damit genügend Frischluft hineinkommt und die Bienen bei warmen Wetterlagen einen Reinigungsflug machen können. Eine Kontrolle am Flugloch ist eine Möglichkeit, ohne Öffnung des Bienenstocks sich ein Bild über den Zustand des Biens zu machen. Tote Bienen mit fehlendem Thorax (Brustteil) auf dem Flugbrett zeigen uns, dass eine Spitzmaus im Volk ist oder war. Kotspitzer an der Flugfront deuten auf eine Verdauungserkrankung. Finden wir viele tote Bienen vor dem Bienenhaus, wurde das Volk in seiner Winterruhe gestört. Auffallend viele tote Bienen auf dem Flugbrett oder vor dem Bienenhaus können auf einen Futtermangel oder auf eine grosse Anzahl kurzlebiger Bienen hinweisen.

Foto: pixabay
Auch im Winter führen Spuren im Schnee zum Bienenstand. Kontrollieren wir doch allfällige Schäden, die durch Schnee und Sturm entstanden sein könnten (Foto: Pixabay).
Oben: Auch im Winter führen Spuren im Schnee zum Bienenstand. Kontrollieren wir doch allfällige Schäden, die durch Schnee und Sturm entstanden sein könnten. Unten: An warmen, sonnigen Wintertagen können wir die Bienen beim Reinigungsflug beobachten. Wir sollten zuvor sicherstellen, dass die Fluglöcher nicht mit toten Bienen verstopft sind.
An warmen, sonnigen Wintertagen können wir die Bienen beim Reinigungsflug beobachten. Wir sollten zuvor sicherstellen, dass die Fluglöcher nicht mit toten Bienen verstopft sind (Foto: Werner Hengartner).

Blick auf die Unterlagen

Die Gemüllkontrolle ist ebenfalls eine Methode, den Zustand des Volkes im Winter zu kontrollieren, ohne das Volk durch Öffnen des Kastens zu stören, und ergänzt die Beobachtungen am Flugloch. Sicherlich am meisten interessiert uns der Wabensitz des Volkes, welchen ich anhand der Gemüllstreifen feststellen kann. Das Auszählen des natürlichen Varroatotenfalls gibt mir Aufschluss über den Gesundheitszustand des Volkes. Helle Wachsschuppen zeigen mir an, dass das Volk am Futtervorrat zehrt. Nicht nur an der Flugfront finden sich Kotspritzer, diese sind auch auf den Unterlagen sichtbar. Sind Körperteile von Bienen auf der Unterlage zu sehen, könnte eine Spitzmaus ihr Unwesen im Volk treiben.

Welche Ziele möchte ich im neuen Jahr erreichen?

Die Winterzeit ist auch die Zeit, in der ich mir Gedanken mache, was ich im neuen Imkerjahr verbessern kann. Ich kontrolliere alle Gerätschaften und bei Bedarf repariere ich sie oder plane eine Ersatzbeschaffung. Wabenrahmen werden gedrahtet und die neuen Waben eingesetzt. Altes Material wird gereinigt oder entsorgt. Eine Liste mit fehlenden Sachen hilft mir bei der Bestellung, sodass ich für das neue Bienenjahr gerüstet bin. Ein sehr wichtiger Aspekt ist für mich die Frage, wie ich mein Betriebskonzept anpassen kann, damit ich mit einem Minimum an Medikamenten die Varroa so im Griff habe, dass meine Völker gesund und stark sind. Welche Massnahmen helfen mir dabei, dieses Ziel zu erreichen?

  • Für mich habe ich in diesem Jahr verschiedene Punkte ins Auge gefasst. Ansetzen werde ich bei der Jungvolkbildung. Ein weiterer wichtiger Meilenstein ist für mich die Aus– und Weiterbildung. Neben dem Besuch der Module 3 und 4 auf dem Weg zum Imker mit eidgenössischem Fachausweis will ich auch einen Königinnenzuchtkurs besuchen, um jederzeit genügend eigene Königinnen zu haben.
  • Welche Ziele sind mir wichtig? Gesunde, starke Völker, die einen guten Honigertrag bringen, sind eines der Ziele. Den Schwarmtrieb versuche ich mithilfe von schon früh zugegebenen Mittelwänden und Drohnenwaben, welche durch den Bien ausgebaut werden, sowie dem möglichst frühen Aufsetzen der Honigwaben, zu vermindern.
  • Auch ein Rückblick lohnt sich! Was hat im abgelaufenen Jahr funktioniert? Meine Völker sind im Frühjahr mit einer grossen Bienenpopulation und mit sehr wenigen Varroamilben gestartet. Mit dem zwei bis dreimaligen Drohnenwabenschneiden konnte die Varroa­belastung niedrig gehalten werden. Zwei sehr starken Völkern habe ich Brutwaben entnommen und Ableger gebildet. Sowohl die Frühjahrstracht als auch die Sommertracht haben einen guten Honigertrag ergeben.
  • Was kann ich verbessern? Das Öffnen der Völker ist auf das Notwendige zu beschränken. Trotzdem muss ich die Kontrolle nach der Honigentnahme und nach dem ersten und zweiten Einsatz von Ameisensäure noch verbessern. Die Weisellosigkeit bei den Völkern nach dem Medikamenteneinsatz sollte ich schneller erkennen und die notwendigen Massnahmen zeitnah ergreifen.
  • Das bestehende Betriebskonzept muss ich für mich hinterfragen und mit den Erkenntnissen aus der Weiterbildung und dem Resultat aus dem vergangenen Jahr anpassen. Ich denke, dass das Betriebskonzept eine Leitlinie ist, die aber nicht unverändert bleiben muss, sodass ich jeweils situativ auf die aktuelle Situation (Volk, Gesundheit, Tracht, Wetter usw.) reagieren kann.

Start ins neue Bienenjahr

Wenn wir in das neue Kalenderjahr starten, ist dieses für die Bienen bereits zehn Tage alt. Nach dem Tag mit der längsten Nacht (21. Dezember) ist es Zeit, das Erwachen im Bien zu unterstützen. Konkret decke ich die Völker mit Schaumstoffmatten, um den Kasten besser zu isolieren und den Energieaufwand für den Wärmeerhalt zu reduzieren. Zudem gebe ich bereits eine erste Portion Futterteig.

Um die Volksentwicklung, die dann ihren Anfang nimmt, besser zu verstehen, habe ich mich in dieses Thema vertieft. Haben wir im Herbst starke und gesunde Völker eingewintert, so haben wir die Voraussetzung für einen frühen Start in die Tracht geschaffen. Lediglich das Wetter zur Trachtzeit kann uns da noch einen Strich durch die Rechnung machen. Die Volksentwicklung von den 8000 bis 12 000 eingewinterten Bienen beginnt also bereits mit der Tagnachtgleiche. Weshalb ist die frühe Volksentwicklung so wichtig? Für die effiziente Nutzung einer Frühjahrstracht sollte ein Volk Anfang Mai mindestens 20 000 Bienen haben.1 Der Artikel in der Bienen-Zeitung «Ein abwechslungsreiches Honigjahr» (SBZ 11/23) hat nach meiner Erfahrung gezeigt, wie sich das Vorhandensein von starken Völkern im Frühjahr zur Trachtzeit auf den Honigertrag auswirkt. Die Grafik «Frühlingshonigernte» nach Kantonen/FL auf der Seite 37 zeigt ganz deutlich, dass viele Völker im Frühjahr nicht stark genug waren, um die Frühjahrstracht auszunutzen. Seit Jahrzehnten beobachte ich im Futterbau, dass der Reife­zeitpunkt von Gräsern sich nach vorne verschiebt. Dies führt zu einer früheren Tracht beim Löwenzahn und anderen blühenden Pflanzen wie den Weiden (Salix) und damit auch zu einem früheren Zeitpunkt der Heuernte. Vielfach ist auch die Blüte der Obstbäume früher als in der Vergangenheit. Sind unsere Völker noch nicht stark genug, kann die Frühjahrstracht nicht genutzt werden.

Können wir vor allem im Futterbaugebiet auf die Frühjahrstracht verzichten? Wenn unsere Völker erst Ende Mai bis Mitte Juni die notwendige Volksstärke erreichen, wird der Honigertrag deutlich tiefer ausfallen. Dies mit einer Waldtracht zu kompensieren, war in den letzten Jahren nur selten möglich.

Was braucht es für einen erfolgreichen Massenwechsel?

Es muss die notwendige Anzahl Bienen nach den abgehenden Winter- und Sommerbienen zu Trachtbeginn im Bienenvolk vorhanden sein, um die erforderliche Brutfläche zu pflegen. Sieben bis acht Waben, dreiviertelvoll je Wabenseite mit Brut besetzt, sind bei günstigen inneren und äusseren Bedingungen im Frühling durchaus möglich. Daraus folgt, dass möglichst viele Winterbienen bis lange ins Frühjahr hinein überleben sollten.1 Es ist also von Bedeutung, wie viele Winterbienen eingewintert werden und deshalb verständlich, weshalb Völker mit weniger als 5000 gesunden Bienen mit einem anderen Volk vereinigt werden sollen.

Wie bekomme ich möglichst viele, langlebige Winterbienen? Diese werden im Nachsommer und Frühherbst geboren. Dabei ist der Übergang von den Sommer- zu den Winterbienen fliessend. Nach Maurizio2 entstehen Winterbienen, wenn sie als Jungbienen keine Brut pflegen müssen und sich mit viel Pollen ernähren können. Zudem sollte der Varroadruck möglichst tief sein. Wir beobachten aber, dass immer mehr Völker im Spätherbst praktisch keine brutfreie Phase mehr aufweisen. Diese ist aber notwendig, um eine wirksame Oxalsäurebehandlung durchführen zu können. Die Königin muss im August und September noch eine hohe Eilegeleistung haben, damit die geforderte Winterbienenpopulation erreicht wird. Dazu müssen freie Brutflächen und Brutzellen zur Verfügung stehen sowie genügend gesunde Ammenbienen, welche die zukünftigen Winterbienen pflegen. Das Bienenvolk sollte dafür Anfang August ausreichend stark sein. Weiter ist auch die Eiweissversorgung im zeitigen Frühjahr ausschlaggebend für eine genügende Volksgrösse. Das Wetter in dieser Phase spielt auch keine unwesentliche Rolle, ist es doch meist windig bis stürmisch mit tiefen Temperaturen und wenig Sonne. Was sich in den letzten Jahren eher günstig entwickelt hat, ist der mit den höheren Durchschnittstemperaturen im Frühjahr frühere Beginn der Vegetationsentwicklung.

Somit sind Umweltfaktoren, wie die Pollenversorgung im Frühjahr, aber auch imkerliche Eingriffe und Betriebsweisen für ein erfolgreiches Imkern zentral. Zu Letzteren gehört sicherlich, dass optimale Bedingungen für die Aufzucht der Winterbienen geschaffen und nur starke Völker eingewintert werden. Hier lohnen sich Populationsschätzungen, um Gewissheit über die Volksgrösse zu erlangen.

Foto: Sarah Grossenbacher
Bei der Einwanderung im Herbst lohnt sich eine Populationsschätzung. Hat mein Volk genug Winterbienen, um den anstehenden Massenwechsel von den Winter- zu den Sommerbienen erfolgreich zu meistern? Nur so können die Bienen auch die frühe Massentracht nutzen (Foto: Sarah Grossenbacher).

Imkern im Januar: Was gibt es jetzt zu tun?

  • Regelmässige Kontrollgänge am Bienenstand, ohne die Völker zu stören: Die Fluglöcher und Gemüllunterlagen geben uns viele wertvolle Hinweise.
  • Rück- und Ausblick: Was sind meine Ziele für das kommende Jahr? Was möchte ich in meinem Betriebskonzept anpassen, um die sichere Überwinterung der Völker zu gewährleisten und schliesslich starke, trachtreife Völker im Frühjahr zu haben?
  • Die beginnende Volksentwicklung der Bienen unterstützen.

Literatur

  1. Imdorf, A.; Ruoff, K.; Fluri, P. (2008) Volksentwicklung bei der Honigbiene. ALP forum 68d (https://ira.agroscope.ch/de-CH/publication/18837).
  2. Maurizio, A. (1950) Untersuchungen über den Einfluss der Pollennahrung und Brutpflege auf die Lebensdauer und den physiologischen Zustand von Bienen. Schweizerische Bienen-Zeitung 2: 58–64.

Merkblätter BGD

(www.bienen.ch/merkblatt)

4 Gute Imkerliche Praxis

4.8.1 Fluglochbeobachtung

4.8.2 Gemüllkontrolle

Zu meiner Person

Unser neuer Kalendermann Werner Hengartner

Bereits an der landwirtschaftlichen Schule Rütti (Zollikofen) kam ich während meiner Ausbildung zum Landwirt mit der Bienenhaltung in Kontakt. Fasziniert von der Biene kam der Wunsch auf, einmal selbst Bienen zu halten. Diesen konnte ich erst später verwirklichen. Nach meiner Weiterbildung zum Agraringenieur FH und einigen Berufsjahren hatte ich im Jahr 1990 die Gelegenheit in Freidorf (TG) ein Bienenhaus mit zehn Völkern zu kaufen. Den Grundkurs besuchte ich im Imkerverein Egnach. Aus beruflichen Gründen musste ich später für einige Jahre die Imkerei aufgeben. Nachdem ich nach dreizehn Jahren als Lehrer und Berater an der landwirtschaftlichen Schule Strickhof in Lindau (ZH) in Pension gegangen bin, habe ich nahe unseres Haues in Ronwil (Waldkirch) wieder einen Bienenstand. Da ich mit dem Schweizerkasten die Haltung von Bienen erlernt habe, sind meine Bienen heute ebenfalls wieder im Schweizerkasten untergebracht. Nach dem Unterbruch habe ich auch nochmals einen Grundkurs im Bienenzüchterverein Untertoggenburg auf dem Lehrbienenstand in Flawil besucht. Das hat mich dazu bewogen, zusätzlich mit drei Völkern im Magazin zu imkern. Diese haben ebenfalls das Schweizermass. So habe ich nicht verschiedene Rahmenmasse. Die bisherigen Erfahrungen mit der Haltung von Bienen im Magazin sind durchwegs positiv. Unterdessen sind auch mein Interesse und der Wissensdrang grösser geworden: Mit der Ausbildung zum Imker mit eidgenössischem Fachausweis versuche ich meine Wissenslücken zu schliessen und neue Wege zu gehen.

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