Heute ist es eine Selbstverständlichkeit, Bienen im August mit Zuckerwasser aufzufüttern. Die Frage ist: Warum? Honig sollte doch für die Überwinterung ideal geeignet sein. Oder steckt gar Profitdenken dahinter: Hier billiger Zucker im «Tausch» gegen den gut zu verkaufenden Honig?
Wie so oft bringt ein Blick in die Geschichte der Imkerei Probleme zutage, die heute vergessen sind. Die guten alten Zeiten waren nicht immer so. Auch unsere Vorfahren litten unter ernsthaften Problemen mit Krankheiten der Bienenvölker. Insbesondere die Bienenruhr, eine Durchfallerkrankung der Bienen, verursachte regelmässig grosse Überwinterungsverluste. So erging es auch Heinrich Freudenstein (1863-1935), einem Lehrer in Marburg (D), der als Nebenerwerb Bienen hielt. Alle damaligen Empfehlungen führten zu keinem Erfolg. So wurde zum Beispiel empfohlen:
- Einhängen von frischen Honigwaben.
- Herbeiführen von künstlichen Reinigungsflügen.
- Füttern von Kandiszucker.
- Stockheizung einrichten.
- Einbringen von Kalk zum Aufsaugen der Feuchtigkeit.
Keine dieser Massnahmen brachten eine Verbesserung der Situation; die Überwinterungsverluste blieben weiterhin markant hoch.
Da Freudensteins Vater Aktionär bei einer Zuckerfabrik war, brachte ihn das auf die Idee, im Herbst 1879 zusätzlich Zucker zu füttern – mit durchschlagendem Erfolg. Einen noch grösseren Überwinterungserfolg erzielte er, indem er bei allen Völkern im Herbst den Honig erntete und die Bienen auf Zuckerwasser überwinterte. Die Völker überwinterten bestens und ohne frühzeitigen Reinigungsflug. Damit war der Beweis erbracht, dass ungeeignetes Winterfutter die Ursache der Überwinterungsverluste war. Vor allem eine späte Waldtracht wurde von Heinrich Freudenstein als problematisch und als eigentliches Problem bezeichnet. Ein spezifischer Krankheitserreger wurde jedoch nie gefunden; die Ruhr ist auch nicht ansteckend. Diese Krankheit kann offenbar bei Bienenvölkern ausbrechen, wenn eine Kombination aus ungeeignetem Winterfutter und äusseren lokalen Einflüssen vorliegt.

Der Prophet im eigenen Land …
Als H. Freudenstein seine mehrjährigen Erkenntnisse 1886 an einer Imkerversammlung bekannt machte, reagierten die Anwesenden mit Entsetzen und Empörung. Das Naturprodukt Honig als Verursacher einer Krankheit – das kann doch nicht möglich und auch nicht wahr sein!
Freudenstein war jedoch von seinen praktischen Erfolgen überzeugt und wollte auch eine wissenschaftliche Erklärung für seinen Befund liefern. Eine chemische Analyse des eingetragenen Zuckerwassers erbrachte das Resultat, dass die Anteile von Frucht- und Traubenzucker wie beim Honig waren, Ballaststoffe wie Pollen und Mehrfachzucker fehlten jedoch. Zusammengefasst lauten die bis heute (!) gültigen Erkenntnisse daher: Zum Überwintern genügt den Bienen reines Zuckerwasser. Erst die Bruttätigkeit erfordert eine eiweissreiche Ernährung.
Zum Überwintern empfahl Freudenstein folgende Methode:
- Füttere die Bienen mit Zuckerwasser, bis die letzte besetzte Wabe halbvoll ist.
- Umpacke deine Bienen von allen Seiten so warm mit Moos, dass sich kein Kondenswasser mehr im Stock bildet.
- Wintere keine Schwächlinge ein.
- Verenge die Wohnung bis auf den Raum, den die Bienen im Herbst belagern und den sie im Winter durchwärmen können.
- Das Flugloch gehört auf das Bodenbrett.
Die Empörung über diese neue Methode der Überwinterung mit der Zuckerfütterung war in der Imkerschaft gross und vor allem die damaligen Imkerverbände kritisierten Freudenstein vehement. Dieser wurde als Zuckerapostel verschrien und es wurde ihm unterstellt, er bereite seinen Honig aus Zuckerwasser. Zudem wurde ihm ein Publikationsverbot in der Bienen-Zeitung (einem Vorläufer des Deutschen Bienen-Journals) auferlegt.
Freudenstein liess sich einmal mehr nicht entmutigen und gründete als Antwort auf die vielen Anfeindungen 1902 seine eigene Imkerzeitung, die «Neue Bienen-Zeitung». Ein Abonnement war mit einem handfesten Vorteil verbunden. Freudenstein versprach, jedes Volk zu ersetzen, das wegen des Gebrauchs seiner Überwinterungsmethode an Ruhr oder Hungersnot zugrunde gehe oder nasse und verschimmelte Waben zeige.
«Viel Feind – viel Ehr»
Die überzeugenden Erfolge der Freudensteinschen Überwinterungsmethode brachten alle Kritiker nach und nach zum Verstummen, still und leise setzte sich seine Methode in der Imkerschaft durch. Nach Jahren stellte er mit Genugtuung fest: «Meine Methode bewährt sich so gut, dass ich in den seither verflossenen 17 Jahren nicht ein einziges Volk zu ersetzen brauchte. Jetzt traben auch meine Gegner hinter mir her. Es zeigt sich trotz allem Neid und Unverstand und der Gegnerschaft der Behörden und der grossen Vereine, dass wir uns durchgesetzt haben. Viel Feind – viel Ehr!»
In einem gewissen Sinne wurde Heinrich Freudenstein auch Opfer seines eigenen Erfolgs: Er lebte vor allem vom Verkauf seiner Ablegervölker im Frühling, der Gewinn aus dem Honigverkauf war Nebensache. Mit dem Rückgang der Überwinterungsverluste durch die Zuckerfütterung «zog der Bienenverkauf immer weniger und ich musste mich nun hauptsächlich auf die Honiggewinnung verlegen.» Da die Tracht an seinem Wohnort «ganz hundserbärmlich ist, muss gewandert werden». Dazu entwickelte Freudenstein seine eigene Bienenbeute, den «Freudenstein-Stock». Zudem fasste er sein Wissen und seine praktischen Erfahrungen im erfolgreichen «Lehrbuch der Bienenzucht» zusammen, das 1924 in sechster Auflage erschien.
Heinrich Freudenstein verstarb am 15. Februar 1935 in Marburg. Seine Leistungen für die Imkerschaft wurden nie offiziell anerkannt und blieben bis heute weitgehend unbekannt.
Vom Waldhonig zum Zementhonig zum Verdruss
Honigtau ist eine natürliche Nahrungsquelle für die Bienen. Lange war unbekannt, wie die zuckerhaltigen Ablagerungen auf den Blättern und Nadeln entstehen. Erklärungen reichten von «himmlischem Regen» (das Manna in der Bibel) über Absonderungen der Pflanze selbst bis hin zu tierischem Ursprung, speziell durch Blattläuse. Aus ästhetischen und verkaufstechnischen Gründen war die Erklärung «pflanzliche Absonderung» bei der Imkerschaft besonders beliebt.
Honigtau ist eine natürliche Nahrungsquelle für die Bienen. Lange war unbekannt, wie die zuckerhaltigen Ablagerungen auf den Blättern und Nadeln entstehen. Erklärungen reichten von «himmlischem Regen» (das Manna in der Bibel) über Absonderungen der Pflanze selbst bis hin zu tierischem Ursprung, speziell durch Blattläuse. Aus ästhetischen und verkaufstechnischen Gründen war die Erklärung «pflanzliche Absonderung»bei der Imkerschaft besonders beliebt.Der deutsche Bienenforscher Prof. Bruno Geinitz (1889–1948) widmete seine wissenschaftliche Karriere dem Thema Waldhonig. Durch intensive Beobachtungen in der Natur sowie zahlreiche Untersuchungen im Gewächshaus gelang ihm 1929 der eindeutige Nachweis, dass Honigtau tierischen Ursprungs ist.«Der Honigtau auf Nadelhölzern stammt, ebenso wie der Honigtau auf Laubhölzern und anderen Pflanzen, von Tieren. Es sind Blattläuse und Schildläuse.»Einige Blattlausarten erzeugen in ihrem Körper den Dreifachzucker Melezitose, eine Verbindung von zwei TeilenTraubenzucker mit einem Teil Fruchtzucker. Dies geschieht, um den Wasserhaushalt der Blattlaus zu regulieren.
Fazit
Der hart auskristallisierende Melezitosehonig und der allgemein höhere Mineralstoffgehalt des Waldhonigs können zu Hunger oder Durchfall führen und damit die Überwinterung der Bienen stark beeinträchtigen. Abhilfe schafft die Zusatzfütterung mit Zuckerwasser, wie sie Heinrich Freudenstein bereits im Jahr 1880 empfohlen hat.
Literatur
- Flügel, H.-J. (2004) Heinrich Freudenstein «der Zuckerapostel». Ein hessischer Imker leistet Pionierarbeit. LEBBIMUK: Abhandlungen und Berichte aus dem Lebendigen Bienenmuseum Knüllwald 1 (http://www.lebendiges-bienenmuseum.de/grafik/Lebbimuk_1_2004_ebook.pdf).