Die Andermatt BioVet AG entwickelt und produziert Behandlungsmittel, auf die Tausende von Imkerinnen und Imker vertrauen. Doch die Hürden für die Zulassung und Herstellung sind enorm.
Wenn Imkerinnen und Imker ihre Sommerbehandlungen gegen die Varroamilbe abgeschlossen haben, die Bienenvölker gut gefüttert und winterfest sind, starten in Grossdietwil (LU) die Produktionsanlagen der Andermatt BioVet AG. Was wie das simple Abfüllen von Ameisensäure in Flaschen erscheint, entpuppt sich als ein hochregulierter Prozess: Schon die kleinste Änderung – etwa die Farbe eines Deckels – kann ganze Bundesordner füllen. «Der Aufwand ist immens!» bemerkt Geschäftsführer Urs Fanger.

Karriere mit Insekten
Insekten faszinieren Fanger schon sein ganzes Leben lang. Bereits als Lehrling zum Biologielaboranten bei Agroscope Reckenholz erforschte er die Artenvielfalt auf Buntbrachen. Nach seinem Biotechnologie-Studium an der ZHAW in Wädenswil übernahm er Anfang der 2000er-Jahre bei Andermatt Biocontrol die Leitung der Produktion. Dort drehte sich alles um die Massenzucht des Apfelwicklers, um in dessen Körper den Granulosevirus zu vermehren, der im Obstbau als biologisches Bekämpfungsmittel eingesetzt wird. Später trug Fanger dazu bei, dass die Schweiz als erstes Land Europas Insekten im Lebensmittelgesetz verankerte – und führte mit der Entomos AG ein Start-up, das Grillen und Mehlwürmer als biozertifizierte Nahrungsmittel auf den Markt brachte.

Die Andermatt Group AG
Andermatt BioVet gehört zur Andermatt Group AG, die 1988 von Martin und Isabel Andermatt gegründet wurde. Sie ist international tätig und spezialisiert auf biologische Pflanzenschutzmittel und Nützlinge. Heute umfasst die Gruppe über 27 Firmen mit Standorten in rund 20 Ländern, dazu gehören auch Andermatt Biocontrol Schweiz oder Andermatt Biogarten. Die Herstellung von Varroabekämpfungsmittel begann im Jahr 1996 mit der Zulassung der Krämerplatte – ein Produkt, das auf Ameisensäure basierte.
Ein enormer Aufwand
Heute steht Fanger seit zwei Jahren an der Spitze der einzigen Schweizer Firma, die Medikamente für Bienen herstellt: Thymovar, Formivar, Oxuvar und Varroxal. Mit wenigen Ausnahmen stammen fast alle in der Schweiz zugelassenen Präparate von der Andermatt BioVet AG.
Bis Imkerinnen und Imker ihre Völker mit solchen Präparaten behandeln können, seien Jahre an Versuchen und Investitionen von mehreren Hunderttausend Franken nötig, sagt Fanger. Für die Zulassung muss die Firma den Behörden mit Versuchen nachweisen, dass das Medikament wirkt. Zugleich gilt es, mögliche Resistenzen auszuschliessen und Nebenwirkungen zu erfassen. Getestet wird auch die Ökotoxizität: Welchen Einfluss hat das Präparat auf die Umwelt? Wie ist zu verhindern, dass im Bienenstand eine Flasche Ameisensäure ausläuft? Wie reagieren Bienen und Königin? Schliesslich spielt auch die Sicherheit für die Anwender/-innen eine zentrale Rolle. Weil die Präparate nur in einem engen Zeitfenster der Bienensaison eingesetzt werden können, ziehen sich solche Versuche oft über Jahre.
Deckel ändern? Gar nicht so einfach!
Auch die Herstellung selbst ist streng reguliert. Swissmedic verlangt detaillierte Vorgaben – von den Rohstoffen über den Herstellungsprozess bis hin zu Flasche, Deckel und Beipackzettel. Jede noch so kleine Änderung – ein zusätzlicher Satz in der Gebrauchsanleitung oder ein neuer Verschluss – muss dokumentiert und erneut bewilligt werden.
«Nur schon der Farbwechsel beim Deckel ist eine grosse Änderung: Wir müssten dann den Behörden beweisen, dass der Deckel immer noch gleich dicht und sicher ist.» Dazu gehörten dann beispielsweise auch Haltbarkeitsversuche in Klimaschränken, um sicherzustellen, dass das Medikament zu den auf der Gebrauchsanleitung angegebenen Temperaturen sicher gelagert werden kann.

Reihenweise Bundesordner
Grundlage bei der Herstellung von pharmazeutischen Produkten ist das internationale Regelwerk Good Manufacturing Practice (GMP). Es schreibt vor, dass jeder Handgriff protokolliert werden muss: vom Wechsel der Druckerpatrone über die Reinigung einer Maschine bis zur Kontrolle der fertigen Charge. «Bei einer Charge von rund 6000 Thymovar-Packungen entsteht so rund ein halber Bundesordner voll Dokumente», erklärt Fanger. Die GMP-Richtlinien gehen jedoch weit über die Papierarbeit hinaus: Sie legen auch fest, wie die Produktionsräume beschaffen sein müssen, welche Lüftungssysteme eingesetzt werden und welche Materialien für Wände oder Decken zulässig sind.
Die grosse Herausforderung: Die Richtlinien können sich jederzeit ändern – und das kann teuer werden. «Seit einem Jahr wird in der EU eine neue GMP-Richtlinie erwartet», sagt Fanger. «Für Rohstoffe wie Ameisensäure müssen wir selbst die pharmazeutische Qualität herstellen. Wenn die Behörden zusätzliche Aufreinigungsschritte verlangen, wäre das für uns als kleine Firma schnell existenzbedrohend.»
Auf den internationalen Markt angewiesen
Lohnt sich denn der Aufwand für BioVet? Allein vom Schweizer Markt könne die Firma nicht überleben, erklärt Fanger. Rund zwei Drittel des Umsatzes entstehen im Ausland. Die Zulassung in der EU ist zwar aufwendiger als in der Schweiz. Doch über das MRP-Verfahren (Mutual Recognition Procedure) lässt sich eine einmal erteilte Bewilligung in weitere Mitgliedstaaten übertragen. Zwar verlangen einzelne Länder zusätzliche Anpassungen – Frankreich gilt zum Beispiel als besonders streng –, doch insgesamt öffnet sich so der Zugang zu einem Markt mit rund 17 Millionen Bienenvölkern.
Für ausländische Unternehmen ist der Schweizer Markt hingegen oft nicht attraktiv. Die Zulassung läuft hier etwas anders als in der EU, was zusätzlichen Aufwand bedeutet – für ein Marktvolumen, das vergleichsweise klein ist. So wäre Formicpro in der Schweiz wohl nie zugelassen worden, hätte sich nicht schon Fangers Vorgänger dafür eingesetzt. Während das Präparat in Europa als Medikament gilt – weil hier die Varroamilbe als Krankheit behandelt wird – läuft es in Nordamerika unter der Kategorie Schädlingsbekämpfungsmittel. Dort gelten andere Verfahren. BioVet hat entscheidend mitgeholfen, dass Formicpro als Medikament zugelassen wurde.
Gewinn erwirtschaften für Neues
BioVet ist ein betriebswirtschaftliches Unternehmen, weder staatlich subventioniert noch in den Händen der Imkerschaft. «Von uns wird erwartet, dass wir einen Gewinn erwirtschaften, den wir in neue Produkte für die Imkerschaft investieren können», sagt Fanger. Dazu gehören auch gelegentliche Preisanpassungen. Ohne diese Mittel wäre es kaum möglich, in die Entwicklung neuer Präparate zu investieren – etwa gegen die Tropilaelaps-Milbe, die sich bald schon in Europa verbreiten könnte.
Was wäre, wenn BioVet die Herstellung von Bienenmedikamenten einstellt, weil es nicht mehr rentiert? Fanger weiss es nicht. Eine Garantie für die Zukunft gäbe es nicht. Vorerst laufen die Anlagen in Grossdietwil weiter – und Ideen für neue Projekte fehlen nicht.
Fünf Fragen an Urs Fanger
Sarah Grossenbacher: Unser Treffen findet am Ende der Bienensaison statt. Du imkerst selbst auch – wie geht es deinen Bienen?
Urs Fanger: Selber imkern ist jetzt wirklich ein bisschen hochgegriffen. Ich habe ein Mini-Plus Volk und jetzt noch ein weiteres Volk von unserem Mitarbeiter Marc Kalmbach erhalten. Denen geht es gut. Die Waldtracht war dieses Jahr gewaltig! Ich habe im Imkerverein Hochdorf den Grundkurs gemacht, aber eigene Bienen zu haben ist eine komplett neue Erfahrung. Es ist deshalb sehr hilfreich, Kontakte zu anderen Imkerinnen und Imkern zu pflegen. Für dies sind die Vereine äusserst nützlich.
Wie behandelt der Geschäfsführer von BioVet seine Bienen?
Ich behandle mit Thymovar. Es funktioniert prima und ist ein zugelassenes Arzneimittel. Ich habe das schon letztes Jahr so gemacht und war zufrieden damit. Im Winter träufle ich Oxalsäure. Entscheidend ist für mich aber das Behandlungskonzept: Wir haben verschiedene Präparate mit unterschiedlichen Wirkstoffen, und diese sollte man von Zeit zu Zeit wechseln, um Resistenzen vorzubeugen. In den USA sieht man, was passiert, wenn jahrelang fast nur ein Mittel eingesetzt wird – gegen Amitraz haben sich Resistenzen gebildet, mitverantwortlich für Völkerverluste von über 50 Prozent. Auch bei organischen Säuren sind Resistenzen nie ausgeschlossen.
Stichwort Thymovar: Thymolhaltige Produkte fehlen im Betriebskonzept des Bienengesundheitsdienstes. Die fettlöslichen Inhaltsstoffe lagern sich im Wachs ab – bei falscher Anwendung auch im Honig. BioVet setzt weiterhin auf das Produkt – wieso?
Wir haben einen enormen Aufwand betrieben, um Thymovar zuzulassen – mit mehrjährigen, grossangelegten Versuchen in verschiedenen Ländern und Klimazonen. Zudem kommt Thymol auch natürlich in Pflanzen vor. Wenn das Produkt richtig eingesetzt wird, stellen Rückstände kein Problem dar. Für uns ist Thymovar ein sicheres und wirksames Präparat. Am Ende sind wir darauf angewiesen, dass auch der Markt und die Meinungsbildner in der Imkerei das Produkt unterstützen – sonst bleibt all der Aufwand und die Investitionen vergebens.
Monopolstellung und teure Medikamente: Du musst dir aus der Imkerschaft so einiges anhören.
Wir stellen sichere, legale Medikamente für die Imkerei her. Dahinter stecken jahrelange Vorarbeit, Qualitätsprüfungen und strenge Zulassungen. Das unterscheidet unsere Ameisensäure von technischer Ameisensäure. Preisanpassungen waren nötig, vor allem beim Varroxal. Aber am Ende liegen auch bei diesem Medikament die Behandlungskosten pro Volk bei nur knapp 50 Rappen in Kleinraum- oder bei einem Franken in Grossraumbeuten – das sollte jedem sein eigenes Bienenvolk wert sein. Zudem gibt es auf dem Markt auch andere zugelassene Mittel – jeder hat die Wahl!
Die Imkerei steht vor neuen Herausforderungen. Die Asiatische Hornisse ist in vielen Regionen etabliert. Die Tropilaelaps-Milbe ist auch schon in Europa angekommen. Laufen im Hinblick darauf eure Entwicklungen auf Hochtouren?
Wir beobachten das sehr genau, aber die Realität ist: Solche Entwicklungen dauern Jahre. Zuerst läuft die Grundlagenforschung an Hochschulen und Instituten – zum Beispiel, welche Viren oder Pheromone gegen die Asiatische Hornisse überhaupt wirksam sein könnten. Erst wenn dort gezeigt wird, dass ein Ansatz funktioniert, übernehmen wir, entwickeln ihn weiter bis zum industriellen Massstab und beantragen die Zulassung bei Swissmedic. Bei der Tropilaelaps-Milbe sind wir im Moment auf der Stufe Literaturrecherche und erste Gespräche mit Forschern.