Lohnt sich das Schneiden von Drohnenbrut?

02/23 | Wissenschaft und Praxis
Richard Odemer (richard.odemer@julius-kuehn.de), Franziska Odemer, Gerhard Liebig, Doris de Craigher

Wir wissen, dass die Varroamilbe Drohnenbrut durchschnittlich acht Mal häufiger befällt als Arbeiterinnenbrut. Daher ist die Drohnenbrutentnahme eine sinnvolle biotechnologische Massnahme, um diesen Parasiten zu bekämpfen.

In der Praxis ist derzeit nicht vollständig geklärt, wie viele Milben mit dem Schnitt eines Drohnenrahmens entfernt werden können und ob es dabei einen Zusammenhang gibt zwischen der Entnahme zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Saison. Dies zu wissen kann zur Aufklärung beitragen, ob sich Drohnenschneiden in der Praxis überhaupt lohnt und inwieweit sich die Massnahme optimieren lässt.

In unserer Studie haben wir daher Droh­nenwaben von 63 Bienenvölkern verteilt über 18 Bienenstände der Landesanstalt für Bienen­kunde in Hohenheim auf Milbenbefall hin un­tersucht. Insgesamt ergab das eine Anzahl von 262 Waben aus einer Bienensaison. Unsere Bienenvölker haben wir nach guter imkerli­cher Praxis geführt. Hierzu gehörte eine zwei­malige Behandlung mit Ameisensäure im Spätsommer und eine einmalige Behandlung mit Oxalsäure im Winter in der vorangegangenen Saison, um im Folgejahr möglichst milbenarm zu starten. Wir nutzen die Hohenheimer Ein­fachbeute mit zehn Waben und geteiltem Brut­raum im Zandermass. Je ein ungedrahtetes Leerrähmchen wurde als Drohnenrahmen im oberen Brutraum an zweiter oder neunter Stelle platziert. Nach der Entnahme der Droh­nenzellen wurden die verdeckelten Brutzellen mit einem scharfen Messer geöffnet und Wabenteile, Puppen und Zelldeckel mit einer Handbrause in einem Honigdoppelsieb ausge­waschen (Foto unten). Anschliessend wurden die Milben auf einem Küchenpapier getrock­net und gezählt. Vor dem Auswaschen wur­de die Fläche der verdeckelten Brutzellen jedes Drohnenrahmens nach der Liebefel­der Schätzmethode erfasst, um den Grad der Verdeckelung zu bestimmen. Ein Achtel Brut­fläche im Zandermass entsprechen dabei 230 Drohnenbrutzellen.1,2,3

Ein verdeckelter Drohnenrahmen wird entnommen. Im Zandermass enthält eine solche Wabe ungefähr 1800 Drohnenzellen (beide Seiten zusammengerechnet ergeben 3600 Zellen).
Ein verdeckelter Drohnenrahmen wird entnommen. Im Zandermass enthält eine solche Wabe ungefähr 1800 Drohnenzellen – beide Seiten zusammengerechnet ergeben 3600 Zellen (Foto: Richard Odemer).
Foto: Doris de Craigher
Aufgefangene Milben nach dem Auswaschen der Wabenteile mit der Handbrause im unteren Honigdoppelsieb (Foto: Doris de Craigher).

Anzahl Varroamilben pro Drohnenwabe

Wir fanden eine Zunahme der Milben mit dem Voranschreiten der Saison (Diagramm unten). Von Ende April bis Mitte Juli stieg die Anzahl der Varroamilben in der Drohnenbrut merklich an. Dies war zu erwarten, da mit dem Wachsen der Völker im Mai und der hohen Bruttätigkeit eine Zunahme sowohl der Anzahl an Arbeiterinnen als auch Drohnenbrutzellen im Volk einhergeht. Über die Gesamtheit der Daten konnten wir ermitteln, wie viele Milben mit einem Drohnenschnitt aus einem Volk entnommen werden können. Pro Drohnenrahmen fanden wir durchschnittlich eine Anzahl von 72  Milben (Median, Diagramm unten). Schneidet man nun vier Mal in der Saison Drohnenbrut aus, so ergibt sich eine Zahl von 286  Milben. Bemerkenswert war, dass wir insgesamt nur sechs von 262  Waben mit keinen Milben beprobt haben. Das macht einen Anteil von gerade einmal 2,3 % aus und spricht ein klares Wort dafür, dass sich in den Drohnenwaben fast immer auch Milben befinden.

Grafiken: Richard Odemer

Eine nachhaltige Massnahme

Diese Massnahme trägt also dazu bei, den Milbendruck in der Saison nachhaltig zu reduzieren. Bei konsequenter Durchführung zeigt sich die Wirksamkeit der Drohnenbrutentnahme darin, dass die Zahl der Milben während der Volksentwicklung im Frühjahr und Frühsommer deutlich geringer war als in unbehandelten Völkern.4 Die endgültigen Befallszahlen der Bienenvölker nach der Behandlung im Spätsommer waren ebenfalls deutlich niedriger als in Völkern, in denen keine Drohnenbrut geschnitten wurde.5,6

Verdeckelung

Nach der Entnahme der Drohnenwaben aus unseren Versuchsvölkern wurde zudem festgehalten, zu welchem Grad die Waben verdeckelt waren. Hierdurch konnten wir ermitteln, ob der Verdeckelungsgrad eine Rolle beim Varroabefall gespielt hat. Es stellte sich heraus, dass es in unserer Untersuchung keinen Zusammenhang gab. Ob die Waben beim Schneiden verdeckelt oder offen waren, hatte keinen Einfluss auf die Anzahl der Milben in den Drohnenzellen (Diagramm unten).

Üblicherweise lautet die Empfehlung, Drohnenbrut zu schneiden, sobald der Rah­men vollständig verdeckelt ist. Daran möch­ten wir auch weiterhin appellieren, da es sehr einfach ist, den Schnittzeitpunkt am Grad der Verdeckelung festzumachen. Sollten die Zellen jedoch noch nicht alle voll­ständig verdeckelt sein, so wäre es nicht tra­gisch, das Rähmchen zu entfernen. Es ist also besser, Rähmchen mit noch zum Teil offenen Zellen zu entfernen, als das Risiko des Wartens einzugehen und einen Schlupf der Drohnenbrut zu ermöglichen. Aus der Literatur ist bekannt, dass Drohnenzellen bereits 60 Stunden, bevor sie verdeckelt wer­den, anziehend für Milben sind (Arbeiterin­nenzellen lediglich 30 Stunden).7,8 Dies kön­nen wir mit unseren Daten bestätigen.

Drohnenbrut wirkt anziehend

Das Entfernen der Drohnenbrut als biotechnische Massnahme ist in Europa gängige Praxis und Teil eines nachhaltigen Varroabekämpfungskonzepts. In den USA hingegen mit ihren knapp 2,7 Mio. Bienenvölkern und den teilweise sehr grossen Imkereibetrieben wird Drohnenschneiden als zu arbeitsintensiv angesehen und in der Praxis kaum angewandt. Zudem bestehen allgemeine Zweifel, ob diese Massnahme überhaupt etwas bewirkt.9,10 In der Literatur finden wir hierzu jedoch zahlreiche wissenschaftliche Belege, die unter anderem zeigen, dass sich über 70 % der Varroamilben in verdeckelten Zellen der Bienenbrut befinden, sofern die Völker brüten.11 Drohnenbrut wird dabei 6- bis 11-Mal häufiger als Arbeiterinnenbrut von Milben befallen12,13 und das hat interessante Gründe:

  • Die Drohnenentwicklung dauert zwei Tage länger als die der Arbeiterin, sodass die Milben mehr Zeit haben, sich zu vermehren.14
  • Drohnenbrut wird zwei- bis dreimal häufiger von Ammenbienen aufgesucht. Ammenbienen werden von der Milbe bevorzugt als Transportmittel benutzt.7
  • Die Zeit vor dem Verdeckeln, in der Drohnenbrut für Milben anziehend wirkt, ist zwei- bis dreimal länger als bei Arbeiterinnenbrut.15
  • Im Vergleich zu Arbeiterinnenlarven produzieren Drohnenlarven über längere Zeit und in einer grösseren Menge Signalstoffe, die sie für Milben anziehend machen.16

Gute Ergebnisse können erzielt werden, wenn vier bis fünf Drohnenrahmen pro Saison entfernt werden.6 Für die Praxis bedeuten unsere Ergebnisse, dass der Drohnenrahmen bei Entnahme nicht vollständig verdeckelt sein muss und er damit möglicherweise in einem kürzeren Intervall entnommen werden kann als bisher üblich. Zudem gibt es Überlegungen, den Drohnenrahmen früher zu geben und Völker mit bereits ausgebautem Drohnen-Wabenwerk zu überwintern.17 Auch zwei Drohnenrahmen gleichzeitig können zum Einsatz kommen, um so in kürzerer Zeit mehr Drohnenbrut zu ernten.18 Mit diesen Anpassungen lässt sich die Zeit verlängern, in der Drohnenbrut entnommen und Milben entfernt werden können. In der Praxis ist dies jedoch weitgehend unerprobt und sollte daher zunächst ein Bestandteil wissenschaftlicher Arbeit sein, um ein solides Fundament für Empfehlungen zu bilden.

Reduktion des Milbendrucks während der Saison

Unsere Daten bestätigen aus wissenschaftlicher Sicht, dass sich konsequentes Drohnenschneiden lohnt, um effektiv Milben aus den Völkern zu entfernen. Kombiniert mit weiteren biotechnischen Massnahmen wie beispielsweise der Bildung von Brutablegern, kann man Völker so während der Trachtperiode milbenfreier führen. Dies reduziert den Milbendruck und räumt den Imker/-innen bei späteren Behandlungen etwas mehr Flexibilität ein. Ausserdem lassen sich diese empirischen Daten nutzen, um mathematische Simulationsmodelle zu füttern. Das Modell BEEHAVE zum Beispiel wird fortlaufend weiterentwickelt, um die komplexe Entwicklung eines Bienenvolkes unter verschiedenen Umweltbedingungen nachzustellen. Wir konnten im Rahmen eines von der deutschen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) finanzierten Projektes (www.vibee-project.net) ein Varroamodul in das Modell integrieren.19 Mit diesem Modul kann das Schneiden von Drohnenbrut und die Behandlung mit organischen Säuren simuliert werden (Ameisensäure, Oxalsäure). Es ist geplant, daraus ein Lerninstrument für Imker/-innen zu entwickeln, mit dem man Behandlungen auf unterschiedlichste Art und Weise ausprobieren und deren Auswirkungen auf Bienenvölker und Milben veranschaulichen kann. Die Fertigstellung dieses Tools ist für Ende 2023 geplant und wird der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stehen.

Die vollständige Literaturliste kann auch unter dem Link https://osf.io/4cnwk aufgerufen werden.

Autor/-innen:

Richard Odemer (richard.odemer@julius-kuehn.de): Institut für Bienenschutz, Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Braunschweig, Deutschland

Franziska Odemer, Institut für Bienenkunde, Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Celle, Deutschland

Gerhard Liebig, Landesanstalt für Bienenkunde, Universität Hohenheim, Stuttgart, Deutschland

Doris de Craigher, Landesanstalt für Bienenkunde, Universität Hohenheim, Stuttgart, Deutschland

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