Pestizid – Monitoring mithilfe der Honigbiene

01/25 | Wissenschaft und Praxis
Lars Rietveld, Marion Fracheboud, Emmanuel Schaad, Benoît Droz, Christina KastZentrum für Bienenforschung, Agroscope, 3003 Bern

Bienen sind vielen Umweltschadstoffen ausgesetzt, welche sie in das Bienenvolk eintragen können. In unserer Studie entwickelten wir eine Vorgehensweise, um das Risiko von Pestiziden für Honigbienen in der Schweiz abzuschätzen.

Ein erster Versuch zur Abschätzung der Risiken von Pestiziden für Honigbienen fand an unserem Bienenstand in der Nähe von Sugiez (FR) statt, einer landwirtschaftlich geprägten Region. Im Bienenbrot unserer Völker wiesen wir verschiedene Pestizide nach. Unsere Bienen waren folglich innerhalb einer Saison mehreren Pestiziden ausgesetzt, allerdings in Konzentrationen, die keine erhöhte Bienensterblichkeit verursachen sollten.

Exposition der Honigbienen durch Pestizide

Pestizide sind Pflanzenschutzmittel, die bei Kulturpflanzen zum Schutz vor Insekten (Insektizide), Pilzen (Fungizide) und Unkräuter (Herbizide) eingesetzt werden. Ausserdem werden Pestizide als Akarizide in der Imkerei zur Bekämpfung der Varroamilbe eingesetzt.1 Während der Blütezeit sammeln Honigbienen Nektar und Pollen von verschiedenen Blütenpflanzen und können dadurch Schadstoffe wie Pestizide ins Volk eintragen. Den Nektar lagern die Bienen als Honig und den Pollen als Bienenbrot in die Waben ein. Da Honigbienen in einem Radius von zwei bis drei Kilometern Trachtpflanzen befliegen, sind sie Schadstoffen aus einem grossen Umfeld ausgesetzt. Somit eignen sie sich besonders als Bioindikatoren für Schadstoffe wie Pestizide.

Risikoreduktion mittels nationalen Aktionsplans

Im Jahr 2017 verabschiedete der Bundesrat einen Aktionsplan zur Risikoreduktion von Pflanzenschutzmitteln. Dadurch sollen die Risiken halbiert und Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz gefördert werden.2

Langfristiges Ziel unserer Versuche

Wir möchten untersuchen, welche Pestizide in der Schweiz eingesetzt werden und ob über einen längeren Zeitraum tatsächlich eine Reduktion der Pestizidkonzentrationen in Bienenprodukten beobachtet werden kann. Dafür entwickelten wir eine Testmethode, die den Pestizideinsatz über mehrere Jahre verfolgt. Dies erlaubt uns, zu untersuchen, welche Pestizide für Bestäuber wie die Honigbiene in der Schweiz relevant sind, sowie das Risiko der Pestizidexposition abzuschätzen.

Fragestellungen für das erste und zweite Versuchsjahr:

  • Wie viele Völker werden für eine repräsentative Probennahme benötigt?
  • Eignet sich Bienenbrot oder Pollen besser für unsere Untersuchung?
  • Gibt es ein einfacheres Testsystem als Alternative zu Bienenbrot und Pollen?
Fotos: Ruedi Ritter Im Umkreis von zwei Kilometern um unseren Bienenstand in Sugiez (FR) befinden sich Felder, auf denen unter anderem die Kulturpflanzen Raps links, Mais Mitte und Sonnenblumen rechts angebaut werden.
Im Umkreis von zwei Kilometern um unseren Bienenstand in Sugiez (FR) befinden sich Felder, auf denen unter anderem die Kulturpflanzen Raps links, Mais Mitte und Sonnenblumen rechts angebaut werden (Fotos: Ruedi Ritter).

Vorgehensweise

Als erstes entwickelten wir Analysemethoden für 51 häufig eingesetzte Pestizide. In einem zweiten Schritt führten wir Versuche an unseren eigenen Bienenvölkern durch. Vom Frühjahr bis Herbst entnahmen wir dafür Bienenbrot und untersuchten dieses auf Pestizid­-rückstände. Frühere Studien zeigten, dass im Pollen und Bienenbrot die Menge und Anzahl der nachgewiesenen Pestizidrückstände häufig höher sind als im Honig,3 weshalb wir uns als erstes für Bienenbrot als Untersuchungsproben entschieden haben.

Versuchsbienenstand

Unser Bienenstand befindet sich in der Nähe von Sugiez (FR) in einer landwirtschaftlich geprägten Gegend, in der unter anderem Raps, Mais, Sonnenblumen und Kartoffeln, aber auch diverses anderes Gemüse und Getreide angebaut wird. Kulturpflanzen werden häufig mit Pestiziden behandelt, sodass die Bienen, die Pollen und Nektar von diesen Blüten sammeln, diesen Chemikalien ausgesetzt sind und diese in den Bienenstock eintragen.

Probenerhebung

Während der Sammelperiode vom 29. März bis zum 18. August 2022 sammelten wir alle zwei Wochen Bienenbrot von fünf Bienenvölkern.4 Dieser Zeitraum deckt die Blütezeit der oben genannten Kulturpflanzen ab. Nach der Sommerbehandlung mit Ameisensäure nahmen wir am 4. Oktober eine weitere Probe, um die Pestizidbelastung für die Winterbienen bestimmen zu können.4 Pro Volk schnitten wir jeweils ein Wabenstück mit frisch eingelagertem Bienenbrot aus den Brutwaben heraus, trennten das Bienenbrot vom Wachs und bestimmten die Art und Menge der Pestizide analytisch.4

Art der Pestizidrückstände im Bienenbrot

Insgesamt konnten wir 30 verschiedene Pestizide mindestens einmal während der Sammelperiode 2022 im Bienenbrot nachweisen (Grafik unten).4 Die grösste Gruppe der nachgewiesenen Pestizide bildeten die Fungizide. Für die Bienen relevant sind vor allem die Insektizide, die mit acht nachgewiesenen Wirkstoffen am zweithäufigsten vertreten waren. Zusätzlich waren vier Herbizide, ein Akarizid (zur Milben- und Zeckenbekämpfung) und ein Wirkungsverstärker für Pestizide vorhanden.

Grosse Unterschiede zwischen den Völkern

Spinosad und Acetamiprid sind Insektizide, die zum Schutz vor Insekten bei vielen Kulturpflanzenarten eingesetzt werden. Spinosad wurde erst ab Ende Juni ins Volk eingetragen im Gegensatz zu Acetamiprid, welches ab 15. April über den gesamten Sammelzeitraum im Bienenbrot nachgewiesen wurde (Grafiken unten). Zwischen den Völkern beobachteten wir grosse Unterschiede in den eingetragenen Pestizidmengen, sowohl für Spinosad als auch Acetamiprid (Grafiken unten), was auf eine unterschiedliche Sammeltätigkeit der Völker zurückzuführen ist. Als Beispiel wurde im Bienenbrot von Volk 1, 2 und 5 kein Spinosad nachgewiesen. Hingegen wurde Spinosad im Bienenbrot von Volk 3 und 4 nachgewiesen. Das unterschiedliche Pollensammelverhalten von Honigbienenvölkern wurde bereits in früheren Studien beschrieben.5 Die Unterschiede im Pestizideintrag zwischen den einzelnen Bienenvölkern bestätigen, dass auch für zukünftige Versuche mehrere Bienenvölker pro Standort und Zeitpunkt beprobt werden sollen.

Risikobeurteilung für Honigbienen

Spinosad ist im Gegensatz zu Acetamiprid bereits in geringen Mengen für die Bienen giftig (siehe Kasten unten). Alle in unserem Versuch gemessenen Pestizidrückstände wa­ren deutlich unterhalb der Konzentrationen, bei denen eine erhöhte Bienensterblichkeit zu erwarten wäre. In Übereinstimmung mit diesen Berechnungen beobachteten wir bei unseren Bienenvölkern keine unerwartet erhöhte Sterblichkeit.

Bienenbrot, Pollen und APIStrips im Vergleich

Da die Entnahme von Bienenbrot aufwendig ist, testeten wir in einem nächsten Schritt andere Untersuchungsmaterialien (Pollen und Kunststofflamellen, sogenannte APIStrips), deren Handhabung einfacher ist. Wie im Jahr 2022 entnahmen wir auch im Jahr 2023 zweiwöchentlich Bienenbrot von fünf Völkern. Zusätzlich sammelten wir mithilfe von Pollenfallen in beiden Jahren jede zweite Woche Pollen während eines Tages. Gleichzeitig brachten wir in den Völkern sogenannte APIStrips an. APIStrips sind Kunststofflamellen, die mit einer schadstoffabsorbierenden Schicht (Tenax) versehen sind.6 Die APIStrips wurden für zwei Wochen direkt ins Volk gegeben, wo sie Schadstoffe wie Pestizide absorbierten. Die Fotos unten zeigen Bienenbrot, Pollen und APIStrips als Untersuchungsmatrizes.

In der Sammelperiode 2022 und 2023 wurde von unseren Bienenvölkern alle zwei Wochen Bienenbrot (links) entnommen und Pollen (Mitte) mittels Pollenfallen gesammelt. Ausserdem wurden Kunststofflamellen mit einer adsorbierenden Schicht (APIStrips) getestet (rechts).
In der Sammelperiode 2022 und 2023 wurde von unseren Bienenvölkern alle zwei Wochen Bienenbrot (links) entnommen und Pollen (Mitte) mittels Pollenfallen gesammelt. Ausserdem wurden Kunststofflamellen mit einer adsorbierenden Schicht (APIStrips) getestet (rechts).

Die drei Untersuchungsmatrizes erlaubten den Nachweis einer unterschiedlichen Anzahl von Pestiziden im Bienenvolk (Tabelle unten). Die grösste Anzahl Pestizide wurde im Bienenbrot nachgewiesen. Allerdings muss zur Probenerhebung das Bienenvolk geöffnet und ein Wabenstück herausge­schnitten werden. Der Aufwand ist auch im Labor gross, um das Bienenbrot vom Wachs zu trennen. Pollenhöschen sind einfacher zu sammeln als Bienenbrot, denn vor dem Flugloch angebrachte Pollenfallen erlauben das Sammeln ohne Öffnen des Volkes. Ausserdem können Pollenhöschen nach Farben sortiert und separat analysiert werden, sodass unter Umständen gezeigt werden kann, über welche Blütenpflanzen die Pestizidrückstände ins Volk eingetragen wurden. Um möglichst keine Pestizidrückstände «zu verpassen», kann Pollen in kürzeren Zeitabständen gesammelt werden. Aus diesen Gründen haben wir uns für das dritte Versuchsjahr für ein wöchentliches Sammeln von Pollen als Untersuchungsmaterial entschieden. Der Vorteil von APIStrips ist die sehr einfache Handhabung, sowohl für die Imker/-innen als auch im Labor. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, woher die Pestizide stammen, denn Pestizide aus dem Bienenwachs werden miterfasst. Auch erlauben die Resultate von APIStrips keine Risikobeurteilung für die Honigbienen, denn die Pestizidmengen in den ApiStrips widerspiegeln nicht die Mengen im Bienenbrot oder Pollen.

Schweizweite Zusammenarbeit mit Imker/-innen

Im Jahr 2024 sammelten einige Imker/-innen von März bis August wöchentlich Pollen von vier Völkern. Ihre Bienenstände sind unter anderem in der Nähe von Obstbaugebieten, Gemüse- und/oder Getreideanbau und Weinbaugebieten. Die Analysen dieser Proben geben Aufschluss über die Art und Menge von Pestiziden an unterschiedlichen Standorten. In Zukunft wäre es denkbar, die Analysen auf andere Kontaminanten wie zum Beispiel Schwermetalle aus Emissionen von Industrie oder Verkehr auszuweiten.

Schlussfolgerungen

  • Im Bienenbrot unserer fünf Bienenvölker in der Nähe von Sugiez konnten über eine ganze Bienensaison Rückstände von 30 verschiedenen Pestiziden nachgewiesen werden.
  • Die Pestizidbelastung unserer Bienen führte zu keiner unerwartet erhöhten Bienensterblichkeit.
  • Aufgrund des unterschiedlichen Sammelverhaltens der einzelnen Bienenvölker sind mehrere Völker pro Standort zu beproben.
  • Mit wöchentlichem Pollensammeln erwarten wir eine zuverlässige Beurteilung der Pestizidexposition von Honigbienen und anderen Bestäubern.
  • Weitere Versuchsjahre in Zusammenarbeit mit Schweizer Imkerinnen und Imkern an geeigneten Standorten sollen die Beurteilung der Pestizidexposition von Honigbienen in der ganzen Schweiz ermöglichen.

Literatur:

  1. Kast, C.; Kilchenmann, V.; Charrière, JD. (2021) Long-term monitoring of lipophilic acaricide residues in commercial Swiss beeswax. Pest Management Science 77(9): 4026-4033.
  2. Aktionsplan Pflanzenschutzmittel. (2017) Bundesamt für Landwirtschaft: Aktionsplan Pflanzenschutzmittel (admin.ch)
  3. Sabo, R.; Staroň, M.; Sabová, L.; Majchrák, T.; Bischoff, G.; Pistorius, J.; Janke, M.; Alkassab, A.T. (2024) Honey bees for pesticide monitoring in the landscape: Which bee matrices should be used? Chemosphere 364: 143130.
  4. Schaad, E.; Fracheboud, M.; Droz, B.; Kast, C. (2023) Quantitation of pesticides in bee bread collected from honey bee colonies in an agricultural environment in Switzerland. Environmental Science and Pollution Research 30: 56353-56367.
  5. Keller, I.; Fluri, P.; Imdorf, A. (2005) Pollen nutrition and colony development in honey bees: part 1. Bee World 86(1): 3-10.
  6. Murcia-Morales, M.; Van der Steen, J.; Vejsnæs, F.; Díaz-Galiano, F.; Flores, J.; Fernábdes-Alba, A. (2020) APIStrip, a new tool for environmental contaminant sampling through honeybee colonies. Science of The Total Environment 729: 138948.

Dieser Artikel könnte
Ihnen auch noch gefallen

Wissenschaft und Praxis | 02/24
1 Minute
In der Literatur ist von «zunehmenden Belegen» für negative Auswirkungen von Honigbienen auf…