Imkerinnen und Imker verfügen meist über ein breites Wissen zur Beurteilung und Auslese gesunder Bienenvölker. Dieses konsequent umzusetzen und mit den eigenen Erfahrungen zu kombinieren, fällt jedoch nicht immer leicht.
Welche zwei Völker würden Sie dem Kollegen auf Ihrem Bienenstand nicht zeigen? Kleine gesunde Völker, die sich seit Wochen nicht weiterentwickeln oder solche mit lückenhaften Brutbildern? Es ist normal, dass nicht alle Völker gleich gut gedeihen. Im Durchschnitt hat jede/r von uns je ein Drittel starke, mittlere und kleinere Völker. Entscheidend dabei ist, wie wir mit dem letzten Drittel umgehen.
Vom Wissen zum Handeln
Viele Studien und Sprichwörter beschreiben die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln. Trotz sicheren Kenntnissen über gesundheitsschädigendes Verhalten passen wir unser Tun nicht an und handeln diesen beispielsweise häufig zuwider. Ähnliches passiert oft in der Imkerei. Die Beurteilung und Selektion ist ein wichtiger Grundstein für eine erfolgreiche Bienenhaltung und gesunde Bienen. Kenntnisse allein reichen nicht aus, besonders das zeitnahe und geplante Handeln in der entsprechenden Situation ist entscheidend.
Damit man sich nicht nur auf sein Gefühl verlassen muss, sind schriftliche Notizen zu den eigenen Völkern hilfreich. Ob Bauch, Herz oder Kopf entscheidet, ein Volk frühzeitig aufzulösen, wichtig ist dabei immer, ehrlich zu sich selbst zu sein. Ein Volk «schönzureden», hilft den Bienen schliesslich nicht.

Hoffnung und Verlust
Grundsätzlich wissen wir, wenn mit einem Volk etwas nicht stimmt. Es entwickelt sich nicht der Jahreszeit entsprechend, hat ein schlechtes Hygieneverhalten oder ein lückenhaftes Brutnest. Es ist vielleicht stechfreudig, lässt sich schlecht bearbeiten, sammelt kaum Honig oder hat keine Königin. Unter Umständen haben wir aber auch das Gefühl, dem Volk nochmals eine Chance geben zu wollen. Das Ganze ist eine Gratwanderung. Wird nicht entsprechend gehandelt, kann es passieren, dass das Volk buckelbrütig oder noch kleiner wird, sich sein Gesundheitszustand verschlechtert oder im schlimmsten Fall sogar klinische Symptome einer meldepflichtigen Brutkrankheit auftreten.
Mit dem anschliessenden Ärger über sich selbst – man hat es eigentlich kommen sehen – müssen wir umgehen können. Ein Volk rechtzeitig abzuwischen oder zu vereinen (Merkblatt 4.7.2. Völker vereinen) ist schneller erledigt und für das eigene Gewissen einfacher zu vertreten als später ein Serbelvolk abzuschwefeln (Merkblatt 4.7.3. Völker abtöten) oder im Falle von Sauer- oder Faulbrut vom zuständigen Bieneninspektor oder der Bieneninspektorin (AFA BI) abschwefeln zu lassen und anschliessend den gesamten Bienenstand sanieren zu müssen.
Statt eine grosse Anzahl Völker anzustreben, sollte man sich lieber auf gesunde, gut bearbeitbare, vitale und starke Völker konzentrieren, was oft einem kleineren Bestand gleichkommt. Wird auf einfache Schwarmlenkung selektiert, werden die Völker berechenbarer, was einiges an Arbeit spart. Der zeitliche Mehraufwand für zusätzliche Durchsichten, Extraarbeit und Mehrfahrten zum Bienenstand im Falle von abgeschwärmten oder kleinen, schwachen Völkern ist nicht zu unterschätzen. Durch eine gezielte Völkerbeurteilung und Auslese wird der eigene Bestand homogener. Die Arbeiten werden besser planbar und können am gleichen Standort bei allen Völkern zum selben Zeitpunkt durchgeführt werden.
Auswahlmöglichkeiten schaffen
Um Selektion zu ermöglichen, kann die Anzahl der Völker verringert oder durch die Bildung genügender Jungvölker eine Auswahlmöglichkeit geschaffen werden. Nach dem BGD-Betriebskonzept wird die Erstellung von 50 % Jungvölkern im Verhältnis zur Anzahl Wirtschaftsvölker empfohlen. Das Ziel ist dabei nicht, den eigenen Völkerbestand zu vergrössern, sondern die Wirtschaftsvölker für die kommende Saison gezielt auswählen zu können. Diese Auswahl und gleichzeitige Volksverjüngung kann auch über das Zusetzen von vorselektionierten Zuchtköniginnen erfolgen. Entwickelt sich ein solches Volk nicht entsprechend, gehört es vereint, abgewischt oder abgeschwefelt, auch wenn viel Zeit oder Geld für die Königin investiert wurde.
Die Völker werden, wie im Merkblatt 4.7. Völkerbeurteilung und -auslese beschrieben, das ganze Jahr über beurteilt und selektiert. Videos für den Schweizerkasten und das Magazin, spezifisch für den Frühling, Sommer und Herbst, sind unter www.bienen.ch/merkblatt/#videos abrufbar.

Gesunde Völker
Freude machen gesunde, vitale und starke Völker mit entsprechendem Honigertrag. Bei der Einwinterung besetzen solche Wirtschaftsvölker rund neun Waben (im Minimum fünf) gut mit Bienen. Grosse Bienenvölker verlieren über den Winter prozentual weniger Bienen und verbrauchen proportional weniger Futter als kleinere Völker. Wirtschafts- und Jungvölker sollen mit rund 20 kg Futtervorrat in den Winter gehen und sich nach der Auswinterung in puncto Volksstärke nicht mehr unterscheiden. Private oder von einem Verein organisierte Standbesuche helfen, den eigenen Massstab für starke Völker zu kalibrieren. Im Merkblatt 4.7.3. Gesunde Völker erkennen werden gesunde Völker beschrieben und dazu wichtige Merkmale genannt.
Merkblätter (www.bienen.ch/merkblatt)
4.7. Völkerbeurteilung und -auslese
4.7.1. Völker vereinen
4.7.2. Völker abtöten
4.7.3. Gesunde Völker erkennen
Nächste Online Live-Veranstaltungen
(www.bienen.ch/bgd-anlaesse): Teilnahme ohne Anmeldung,einfach auf Teilnahmelink klicken.
14.09.2023, 19 Uhr: Völkerbeurteilung und -auslese
12.10.2023, 19 Uhr: BGD-Dienstleistungen
09.11.2023, 19 Uhr: Oxalsäure: warum wir uns schützen
14.12.2023, 19 Uhr: Verbreitung von Kranheitserregern