Winterverluste 2020 / 2021 gegenüber Vorjahren gestiegen

| Wissenschaft und Praxis
Bruno Reihl, Redaktion SBZ (redaktion@sbz.com), Jean-Daniel Charrière, ZBF Agroscope (redaktion@zbf.com)

Nachdem drei Jahre lang die Winterverluste der Bienenvölker kontinuierlich abgenommen haben, überlebten im Winter 2020/2021 erstmals wieder weniger Völker als in den Vorjahren. Mögliche Gründe für diesen relativ kleinen Anstieg werden angesprochen.

Auch für den Winter 2020/2021 hat BienenSchweiz eine Umfrage unter der Schweizer Imkerschaft zu den Völkerverlusten durchgeführt, es ist die vierzehnte. Daran haben 1633 Imker/innen mit 1915 Standorten teilgenommen, das sind über 200 mehr als im Vorjahr. Leider sind aber über 100 Datensätze unvollständig oder gar nicht ausgefüllt worden, so dass wir sie für die Auswertung streichen mussten. Siehe auch Bemerkung am Schluss des Artikels. Von den verbliebenen 1527 Teilnehmer/innen sind 306 Frauen (20,0 %) und 1221 Männer (80,0 %). Die Imkerinnen hatten ein Durchschnittsalter von 54 Jahren, die Imker von 58 Jahren. Auf 2374 Bienenständen betreuten sie im vergangenen Sommer 25 090 Völker. Trotz der Streichungen bedeuten diese Zahlen neue Höchstwerte, wofür wir allen Teilnehmenden herzlich danken. Wie in den Vorjahren kommen die meisten Standortmeldungen aus dem Kanton Bern (316) gefolgt von Zürich (158) und Aargau (151). Für die Kantone Uri mit nur 11 und Glarus mit 16 sowie dem Fürstentum Liechtenstein mit 17 Standortmeldungen können keine aussagekräftigen Folgerungen gezogen werden, aber ihre Zahlen haben wir in den Tabellen und natürlich für die Gesamtbewertung aufgenommen, wie sie gemeldet wurden.

Die Teilnehmer konnten insgesamt 20 Fragengruppen mit Unterfragen beantworten. An dieser Stelle können wir nur einen Teil der Antworten auswerten und präsentieren. Wir möchten auch allen Teilnehmer/innen für Ihre Verbesserungsvorschläge und Kommentare zu den Fragen danken, aber bitten um Verständnis, dass wir von Jahr zu Jahr nur wenig verändern wollen, um die Vergleichbarkeit mit früheren Jahren nicht zu verlieren. Ein Grossteil der Fragen stammt auch aus dem internationalen Forschungsprojekt COLOSS (www.coloss.org), an dem zusammen mit 95 anderen Ländern auch die Schweiz unter der Leitung des Zentrums für Bienenforschung (ZBF) teilnimmt.

Die teilnehmenden Imker/innen hielten 2020 im Mittel 10,6 Bienenvölker pro Stand, gleich wie im Vorjahr. Nach dem Abräumen der Honigräume im Sommer wurden die Völker aufgefüttert und normalerweise gegen die Varroa-Milbe behandelt, grösstenteils mit Ameisensäure. Die letzte Behandlung fand im brutfreien Status der Völker im Allgemeinen mit Oxalsäure am Ende des Jahres statt. Bio-technische Verfahren (Hyperthermie, Brutstopp, etc.) wurden vergleichsweise wenig angewendet, wie auch diese Umfrage wieder ergab. Die Auswinterung erfolgte dann im Frühling 2021; Stichtag ist der 1. April. Der warme März hat die Völker früh zum Brüten angeregt, 1aber der kälteste April seit 20 Jahren hat dann die Völker sehr gestresst (Einstellung des Brutgeschäfts und grosser Futterbedarf). Viele Völker werden noch im April eingegangen sein und erscheinen gar nicht in dieser Statistik.

Für die Imkerschaft sind Winterverluste immer ein trauriger Anblick und mit viel Arbeit verbunden (Beuten säubern und desinfizieren, Waben einschmelzen, etc.) unabhängig davon, welche Ursachen das Absterben der Völker hatte. Für die Ursachenforschung und mögliche Verbesserungen der imkerlichen Praxis ist jedoch eine detaillierte Analyse nötig. In Anlehnung an das internationale COLOSS Programm unterscheiden wir deshalb verschiedene Kategorien von Völkerverlusten (siehe Tabelle links).

Das Bienenjahr 2020 war in allen Regionen der Schweiz geprägt durch einen warmen Frühling, aber auch mit genügend Regen. Der Sommer wurde dann sehr warm, und es setzte eine ergiebige Waldtracht ein, die den Imker/innen rekordhohe Frühlings- und Sommerhonig Erntemengen bescherte, und so das schlechte Honigjahr 2019 vergessen machte. Aber wiederum war es wegen der hohen Tagestemperaturen Ende Juli /Anfang August schwierig den richtigen Zeitpunkt für die erste Varroa-Milben Behandlung zu finden. Viele Imker haben spät mit Ameisensäure behandelt oder konnten nur eine Langzeitbehandlung durchführen. Erstmals im grossen Masse wurde in der Schweiz das Chronische Bienenparalyse-Virus festgestellt, das wie das Flügel-Deformations-Virus auch durch einen hohen Befall von Varroa Milben begünstigt wird. Die Symptome sind ähnlich der Schwarzsucht.

Kategorien der Völkerverluste

Steigt die Varroa-Milben Population in den Völkern im Herbst über die Schadschwelle von 2000 Milben pro Bienenvolk, kann das gravierende Folgen haben. Neben einer Schwächung durch Energie- und Proteinmangel werden die Bienen durch die Varroa-Milben mit verschiedenen Virenkrankheiten infiziert. So infizierte Winterbienen haben während ihrer Entwicklung in der Zelle und als adulte Arbeiterbiene eine stark verkürzte Lebensdauer. Das kann schon im Herbst eine starke Völkerabschwächung verursachen bis hin zum Totalverlust der stark befallenen Völker während des Winters. Ein typisches Symptom ist ein leerer Bienenstock (Kahlflug), weil die kranken Bienen mit verkürzter Lebenserwartung vom Bienenstock wegfliegen und sterben. Wenn die Temperaturen sehr niedrig sind, sterben die Bienen auch direkt im Bienenstock, und wir finden eine Schicht toter Bienen auf dem Kastenboden. Meist findet der Imker noch eine Gruppe toter Bienen mit der toten Königin auf einer Wabe kleben. Die Kategorie DELTA in Tabelle I deckt genau diesen Sachverhalt ab. An zweiter Stelle interessiert uns die Summe der Verluste aus Kahlflug, oder tote Bienen auf Kastenboden, Königinnenproblemen und Elementarschäden. Das ist die Kategorie ETA mit den «echten Winterverlusten» in Tabelle I. Die Imkerschaft interessiert aber in erster Linie alle Verluste zusammen («Totale Winterverluste») vom Abräumen im Juli bis zum Auswintern im April des Folgejahres. Das ist die Kategorie OMEGA als Summe aller anderen Kategorien ohne ZETA (Serbelverluste).

Vergleich mit dem Vorjahr

Auch wenn viele Standorte von Winterverlusten durch «Tote Völker» (Kategorie DELTA) verschont blieben, siehe Grafik 1, erhöhen die Verlustkategorien ALPHA (Vorverluste), BETA (Königinnenverluste) und GAMMA (Elementarverluste) die Verluste massiv und bringen die Totalen Winterverluste (OMEGA) auf 21,5 % (Vorjahr 18,6 %), also 2,9 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr (siehe Tabelle links unten)!

Die Echten Winterverluste (Kategorie ETA) im letzten Winter 2020/2021 sind mit 14,2 % ein Prozentpunkt höher als im Vorjahr. Die Vorverluste (Kategorie ALPHA) sind gegenüber den Vorjahren gestiegen (um 2,0 Prozentpunkte auf 7,3 %). Die Serbel-Verluste (Kategorie ZETA) haben sich hingegen abgeschwächt von 12,6 % auf 10,9 %. Das ist aus Tabelle II ersichtlich. Damit erreichen die Verluste von Spätsommer 2020 bis Frühjahr 2021 inklusive der Serbelverluste (OMEGA plus ZETA) 32,4 % (Vorjahr: 31,2 %). Sie liegen aber noch im Mittelfeld der letzten Jahre mit dem Maximum im Winter 2011/2012 (44,3 %) und dem Minimum im Winter 2015/2016 mit 21,4 %.

Kantonaler Vergleich

Ein kantonaler Vergleich der Echten Winterverluste (Kategorie ETA) zusammen mit den Verlusten «Tote Völker» (Kategorie DELTA) ist in Grafik 2 dargestellt (siehe Grafik Seite 27).

Die Tote Völker-Verluste (blau in Grafik 2) schwanken auch stark von Kanton zu Kanton. Wiederum ist der Jurabogen mit BS/BL, JU, NE, SO besser dran und hat geringere Verluste. Wir beobachten Kantone, in denen tote Bienenvölker einen überwiegenden Teil der «echten Winterverluste» ausmachen, wie in den Kantonen GE, JU, SG, TI, VS oder ZH, während in den Kantonen BE, NE, SH, SO die Ursachen der Verluste andere sind (hauptsächlich Königinnenprobleme). Das interpretieren wir so, wenn die Verluste hauptsächlich auf die «Toten Völker» zurückzuführen sind, ist der Grund in der Strategie zur Varroa-Milben Bekämpfung zu suchen, während für die andere Gruppe von Kantonen an der Verbesserung der Qualität der Königinnen gearbeitet werden sollte (jüngere Königinnen, gute Begattungsbedingungen, usw.) Auch die Beobachtung, dass sich jedes zehnte ausgewinterte Bienenvolk nicht zu einem Wirtschaftsvolk entwickelt, müsste durch gutes Imkerhandwerk gemildert werden können, z.B. durch Vereinigung von Völkern bereits im Herbst.

Grafik 3 zeigt einen Vergleich der kantonalen Verluste der Kategorie Tote Völker über die letzten fünf Jahre (oben): In den letzten drei Jahren (seit dem Winter 2016 /2017) haben die Verluste durch «Tote Völker» in allen Kantonen und Liechtenstein kontinuierlich abgenommen. Das könnte mit der konsequente Varroa-Behandlung nach der BGD-Empfehlungen und dem in allen Regionen der Schweiz und Liechtensteins immer mehr praktizierten gleichzeitigen Beginn der Varroa-Milben Behandlung zusammenhängen, was zu einer Eindämmung der Rückinvasion der Varroa-Milben im Herbst führt. Im letzten Winter verzeichnen wir jedoch eine schweizweite Zunahme der Totalen Winterverluste um fast drei Prozentpunkte. Es kann ein Ausreisser sein, was wir stark hoffen. Oder verschiedene Ursachen können hier eine Trendumkehr anzeigen: 1 Das vermehrte Auftreten des Bienenparalyse-Virus (CBPV); 2 die zunehmend heisseren Monate Juli und August, welche die Wahl des richtigen Zeitpunktes für die erste Varroa-Milben Behandlung schwierig machen, oder mit den milden und niederschlagsreichen Wintern. 3 Eine Imkerschaft, die zunehmend ob der vielen Appelle und Belehrungen zur Varroa-Behandlung ermüdet ist und sich nach neuen Lösungen sehnt, dabei aber die bewährten Methoden vernachlässigt. 4 Verschlechterte Um-weltbedingungen: Zunahme der Monokulturen, neu auch in höheren Lagen auf Grund des Klimawandels; Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

Der Zeitpunkt des Beginns der Sommerbehandlung und die Art der Behandlung wurden auch dieses Jahr wieder abgefragt. Auch der Sommer 2020 war in der ganzen Schweiz sehr heiss und sehr trocken, was es für den/die Imker/in schwierig machte, den richtigen Zeitpunkt für die erste Sommerbehandlung mit Ameisensäure zu finden. Wie schon in den Vorjahren hatten diejenigen Imker/innen die wenigsten Winterverluste, die ihre Bienen erstmals Mitte bis Ende Juli behandelt haben, also je früher desto besser.

Auch beim Zeitpunkt der Winterbehandlung mit Oxalsäure Träufeln, Sprayen oder Verdampfen ergeben wie in den Vorjahren die Monate Oktober, November und Dezember die besten Resultate bei den Winterverlusten, was die unterschiedlichen brutfreien Perioden der Bienenvölker wiederspiegelt. Bei einer Behandlung ab Januar nehmen die Winterverluste wieder zu, da vermutlich an vielen Orten die Bienenvölker schon wieder brüten.

Einfluss der Höhe auf die Winterverluste

Am Schluss haben wir noch den Einfluss der Höhenlage der Bienenstandorte auf die Winterverluste analysiert. Bienenvölker in Höhenlagen über 1200 Meter haben erfahrungsgemäss weniger Varroa-Milbenbefall als die Völker im Mittelland.

Die Tabelle 3 bestätigt den Zusammenhang zwischen der Höhenlage und den Völkerverlusten. In allen Verlustkategorien gilt: Je höher die Bienenstände liegen je geringer ist die Anzahl der Völkerverluste. Das hängt wahrscheinlich mit dem Milbenbefall, dem Futterangebot und anderen Umweltfaktoren zusammen. Warum der Varroa-Milbenbefall in der Höhe geringer ist, muss noch erforscht werden. Eine These ist die niedrige Luftfeuchtigkeit und der geringere Luftdruck in der Höhe, der auch anderen Milben wie der gemeinen Hausstaubmilbe den Garaus macht. Nicht umsonst sind viele Allergiekliniken in Davos auf 1600 Metern und werben damit, dass sie frei von Hausstaubmilben sind. Ein anderer Grund könnte die mit Sicherheit eintretende Brutfreiheit im Winter sein, die auch der Varroa-Milbe zusetzt. Und die Hitze im Sommer ist erträglicher und erlaubt der Imkerschaft, den optimalen Zeitpunkt für die Varroa-Milben Behandlung zu finden.

Im Jahr 2020 wurden von den teilnehmenden Imker/innen 8645 oder 34,5 % Jungvölker (Brutableger, Natur- und Kunstschwärme) gebildet. Das entspricht praktisch den Vorjahren und erreicht immer noch nicht die 50 % Marke, die vom ZBF und Bienengesundheitsdienst BGD angestrebt werden.

Generelle Bemerkung

An dieser Umfrage haben verdankenswerter Weise die Imker/innen freiwillig teilgenommen und sich grösste Mühe gegeben, alle Fragen gewissenhaft zu beantworten. Dafür nochmal herzlichen Dank. Die eingegangenen unvollständigen Datensätze, die wir streichen mussten, werden wir noch analysieren und deren mögliche Fehlerursache (keine Speicherung, schlechte Datenübertragung) für die Umfrage im nächsten Jahr hoffentlich beheben können.

Danke

Samuel Rohner, der neue Leiter der Geschäftsstelle von BienenSchweiz hat die ganze Umfrage zusammengestellt, an die Imker/innen verschickt und mir die Antworten in einer riesigen EXCEL Datei mit über 110 000 Datenzellen geliefert. Dafür ganz herzlichen Dank.

Dieser Artikel könnte
Ihnen auch noch gefallen

Wissenschaft und Praxis | 09/23
1 Minute
Imkerinnen und Imker verfügen meist über ein breites Wissen zur Beurteilung und Auslese…